Sprinterin Lisa Mayer: „Frauen müssen in alle Bereiche des Sports – auch in Machtpositionen“

Sprinterin und Plan-Botschafterin Lisa Mayer startet bei den Olympischen Spielen in Paris mit der 4x100-Meter-Staffel. In der Plan Post spricht sie vorab über die Repräsentation von Frauen im Sport, über ihren Kampfgeist und ihre Vorbildfunktion – auch über den Sport hinaus.

Plan Post: Lisa, du wirst bei den Olympischen Spielen in Paris für die deutsche Staffel starten. In der Leichtathletik ist das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Sportler:innen bereits ausgeglichen – doch tatsächlich sind die Olympischen Spiele 2024 die ersten in der Geschichte, in der dies auch für alle teilnehmenden Athlet:innen gilt. Was bedeutet dieser Schritt für dich als Sportlerin?

Lisa Mayer: Diese Entwicklung ist wahnsinnig wertvoll und wichtig. Es stimmt, bei uns in der Leichtathletik ist es schon seit ein paar Jahren so, dass männliche und weibliche Starterinnen und Starter gleich vertreten sind. Deshalb ist es uns manchmal gar nicht so bewusst, dass es in anderen Sportarten noch nicht selbstverständlich ist. Umso schöner ist es, zu hören, dass an diesen Olympischen Spielen erstmals genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen – ein wichtiger Schritt Richtung Trendwende! Doch bei diesen Good News darf man nicht vergessen, dass der Frauensport generell noch immer unterrepräsentiert ist. Gerade, wenn ich an die Gehälter denke – da gibt es noch einen deutlichen Unterschied zum Männersport. Da muss man dranbleiben und ansetzen, damit Frauen auch in diesem Aspekt gleichberechtigt werden. 

Update: Staffel gewinnt Bronze!

Gemeinsam mit Alexandra Burghardt, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase gewinnt Lisa Mayer am 9. August 2024 im Finale der 4x100-Meter-Staffel Bronze. Wir gratulieren herzlich zu diesem fantastischen Erfolg!

„Ich habe das Gefühl, es tut sich was. Und das muss man jetzt weiter ausbauen und stärken!“

Lisa Mayer (28), Sprinterin und Plan-Botschafterin über die Repräsentation von Frauen im Sport

Du hast das Thema Gehälter angesprochen – Gleiches gilt auch für andere Bereiche. Der Sport generell bleibt in vielen Bereichen eine Männerdomäne: Trainer, Journalisten, Schiedsrichter, Vorstände – all diese Felder sind nach wie vor in den meisten Sportarten mehrheitlich männlich besetzt. Warum ist deiner Meinung nach auch hier ein Wandel wichtig?

Es stimmt, der Sport ist insgesamt noch sehr männlich dominiert. Auch, wenn man das Gefühl hat, dass sich langsam eine Trendwende abzeichnet. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Fußball-EM der Männer: Man sah hier doch einige weibliche Expertinnen und Kommentatorinnen. Das war nach meinem Empfinden in den Jahren davor nicht so deutlich der Fall. Ich habe deshalb das Gefühl, es kommt langsam, es tut sich was. Und das muss man jetzt weiter ausbauen und stärken! Auch wenn ich an unseren Verband denke: Wie viele Trainerinnen gibt es dort? Oder bei Meisterschaften: Wie viele Ärztinnen und Physiotherapeutinnen sind dabei? Es gibt sie – aber deutlich weniger als Ärzte und Physiotherapeuten. Sicherlich haben es Frauen auch nicht unbedingt leicht, allein Familienplanung und Karriere unter einen Hut zu kriegen. Da gibt es Hürden, die Frauen davon abhalten, zum Beispiel Funktionärs- oder Trainerinnenrollen zu übernehmen. Aber diese Hürden müssen dann eben genommen werden, dann muss man Wege finden, die es ermöglichen, dass Frauen sich trauen, diese Jobs zu übernehmen.

„Frauen werden nicht immer auf ihre Leistung bezogen dargestellt – das ist schade, weil wir genau das gleiche leisten, wie die Männer.“

Lisa Mayer (28), startet bei den Olympischen Spielen 2024 in der Staffel

Wie kann man diesen Wandel noch weiter vorantreiben?

Es heißt ja oft, dass Männer sich mehr für Sport interessieren. Und ja, das kann ja vielleicht sein. Aber dann muss man eben ganz unten ansetzen und sich fragen: Wie schaffen wir es, junge Mädchen in den Sport zu bringen, sie für Sport zu begeistern und dann perspektivisch auch zu halten, dass sie dabeibleiben. Gleichzeitig denke ich, dass es im Sport wichtig ist, gerade für Sportlerinnen, einen Safespace zu schaffen – sexualisierte Gewalt ist gerade wieder präsenter denn je – und dazu gehört auch, mehr Frauen in allen Bereichen des Sports zu haben, auch in Macht- und Entscheidungspositionen.

Auch der Umgang mit Sportlerinnen und Sportlern ist teilweise noch recht unterschiedlich – oftmals wird in Berichterstattungen das Aussehen von Frauen kommentiert, während bei den Männern die Leistung im Vordergrund steht. Du hast selbst einmal in einem Interview gesagt, dass „weniger (Kleidung) mehr Klicks“ bringt, das heißt mehr Aufmerksamkeit und damit auch mehr Chancen auf Sponsoren. Im Hinblick auf Gleichberechtigung, wie stehst du diesem Thema gegenüber? 

Über Frauensport wird insgesamt zu wenig berichtet. Zuletzt haben wir es bei der Fußball-EM der Männer gesehen: Die war omnipräsent! Aber über die Frauen-EM im Fußball… ja wann war die? Wo war die? Wie haben wir abgeschlossen? Da wird wenig drüber berichtet. Und ja, Frauen werden auch nicht immer auf ihre Leistung bezogen dargestellt, sondern es gibt auch immer wieder Kommentare über ihr Aussehen – und das ist schade, weil wir genau das gleiche leisten, wie die Männer. Vielleicht sogar mehr, wenn ich an das Thema Periode, Schwangerschaft, Muttersein denke. Am Ende des Tages sollte immer die Leistung im Fokus stehen. Leider ist das aber nicht immer der Fall. Auch im Hinblick auf Sponsorenverträge. Klar, ohne Leistung geht es hier auch nicht, aber ein nettes Aussehen macht es häufig schon einfacher. Und das ist schade. Der Mensch als Individuum mit allen Facetten, die ihn ausmachen, sollte im Mittelpunkt stehen – und nicht allein die Optik.

Vom Tiefpunkt zur Erfüllung eines sportlichen Lebenstraums

Du hast verletzungsbedingt schon einige Großereignisse verpasst. Wie würde sich ein „Comeback“ bei den Olympischen Spielen für dich anfühlen? Was bedeutet es dir, dabei zu sein? 

In Paris am Start zu sein ist für mich ein unglaublich großes Geschenk – für das ich auch sehr hart gearbeitet habe. Es ist die dritte Nominierung für mich. 2016 habe ich mit 20 Jahren die Spiele in Rio erleben dürfen – eigentlich unüblich in so jungen Jahren, da man in der Leichtathletik eher so Mitte bis Ende 20 seine goldenen Jahre hat. Damals bin ich Vierte geworden, das war ein Riesenerfolg. 2021 dann das komplette Gegenteil, der absolute Tiefpunkt meiner Karriere: In der letzten Einheit schon vor Ort in Japan habe ich mich verletzt und bin, anstatt ins Olympische Dorf zu fliegen, nach Hause nach Frankfurt gereist. Im letzten Jahr hatte ich dann eine Verletzung, wo tatsächlich die Frage im Raum stand, ob ich meine Karriere fortsetze oder aufhöre. Aber Paris mit der Staffel – das war jeden Tag meine Motivation, weiterzumachen. Das war kein einfaches Jahr. Ich bin sehr gut in Form, trotzdem streikt der Körper auch immer mal wieder ein bisschen, auch in den letzten Wochen. Aber ich habe das tiefe Vertrauen, dass ich mir in Paris einen kleinen sportlichen Lebenstraum erfüllen kann. Denn was man da an Dankbarkeit, an Emotionen erleben kann, wenn man wirklich im Olympiastadion im Staffelfinale steht, das gibt es sportlich gesehen im Leben vielleicht kein zweites Mal. 

Die Olympischen Spiele finden dieses Jahr in Paris – in Europa – statt. Fast ein Heimspiel! Pusht das die Motivation noch einmal zusätzlich? Oder erhöht es vielleicht den Druck?

Dass es im Herzen Europas stattfindet, motiviert einen noch mal ein bisschen mehr. Ich weiß, dass einige meiner Freund:innen und meine Familie Tickets haben, auch für die Staffel. Das ist schön, dass man dieses Event dann auch gemeinsam erleben kann. Druck empfinde ich deshalb aber nicht, da überwiegt definitiv die Vorfreude. 

Du kämpfst dich nach Rückschlägen, wie Verletzungen, immer wieder zurück – was für ein starkes Durchhaltevermögen! Ist das auch etwas, was du jungen Sportler:innen als Vorbild mitgeben möchtest? 

Es ist immer wieder schön, wenn ich angesprochen werde oder auf Social Media sehe, wie viele Menschen mitverfolgen, was ich mache. Und was man dann auch für ergreifende Nachrichten bekommt, wenn man vielleicht mal wieder verletzungsbedingt nicht am Start ist. Ja, der Sport ist Emotion, Sport ist Freude. Aber Sport ist auch Disziplin, Rückschläge und nicht so schöne Zeiten. Das gehört nun mal dazu im Sport wie im Leben. Durchhaltevermögen ist immer wieder gefragt – und wenn ich da ein bisschen Vorbild sein kann, dann macht mich das stolz. Und natürlich spielt für mich auch eine Rolle, dass ich als Vorbild vielleicht auch mehr junge Menschen, mehr junge Frauen zum Sport bringen kann.

Du bist seit 2023 bei Plan International Patin eines Mädchens in Malawi. Jetzt bist du auch als Botschafterin unter dem Motto „Kinder brauchen Fans!“ bei Plan dabei. Was ist dir in dieser Rolle wichtig? 

Ich will auch für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung einstehen und auch da Verantwortung übernehmen. Ich finde es wichtig, dass man das nicht nur im Sportkontext macht. Ich freue mich über die Patenschaft – man bereist ja so viele Länder als Sportlerin, lernt so viele Menschen kennen und da realisiert man manchmal erst, in was für einer Bubble man selbst lebt und dass diese schöne eigene Welt nicht selbstverständlich ist. Darauf möchte ich aufmerksam machen, helfen und auch da als Vorbild vorangehen.

Vielen Dank für dein Engagement und das spannende Gespräch!

Mit einer Patenschaft helfen

Lisa Mayer unterstützt ihr Patenkind in Malawi. Helfen auch Sie einem Kind dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen! Mit einer Patenschaft stärken Sie Ihr Patenkind und dessen Gemeinde. So geben Sie Ihrem Patenkind die Chance, gebildet, gesund, gleichberechtigt und gewaltfrei aufzuwachsen.

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