Mit 15 Lkw sind die insgesamt 150 Paletten zunächst in einer Halle des World Food Programme am Flughafen von Rzeszow, einer Stadt mit gut 180.000 Einwohner:innen im Südosten des Landes und etwa 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, zwischengelagert worden. Von dort aus werden die Beutel, die Artikel wie Seife, Zahnbürsten, Waschmittel, Taschenlampen, Unterwäsche, Binden und Tampons enthalten, an Partnerorganisationen von Plan verteilt. Dabei handelt es sich um lokale Organisationen, unter anderem Betreiber von Erstaufnahme- sowie Familienzentren, in denen Geflüchtete unterkommen und versorgt werden.
„Wir müssen davon ausgehen, dass viele Mädchen und Frauen sexualisierte Gewalt erfahren haben. Vergewaltigung ist eines der Mittel, die auch in diesem Krieg eingesetzt werden.“
Die Lage vor Ort: Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind 7,2 Millionen Menschen geflohen, allein 3,8 Millionen über Polen. Dort registriert sind 1,2 Millionen Geflüchtete. Warum die Verteilung der Dignity Kits? Rund 90 Prozent der Geflüchteten sind Kinder und Frauen. Neben den dringend benötigten Hygieneprodukten enthalten die vor allem eines: Informationen darüber, wo Betroffene Zugang zu Diensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit erhalten. Diese Informationsbroschüre macht die Kits erst zu Dignity Kits. „Wir müssen davon ausgehen, dass viele Mädchen und Frauen sexualisierte Gewalt erfahren haben. Vergewaltigung ist eines der Mittel, die auch in diesem Krieg eingesetzt werden“, sagt Kathrin Hartkopf, Sprecherin der Geschäftsführung von Plan International Deutschland, die in Rzeszow Plans Partnerorganisationen besucht und sich so vor Ort über die Verteilung informiert hat. Hinzu kommt, dass der Krieg die Lebensplanung vieler Frauen zunichtemacht: Viele von ihnen, die vor dem Überfall Russlands gewollt schwanger geworden sind, haben nun als Geflüchtete und ohne Heimat Angst davor, ein Kind unter den schwierigen Voraussetzungen zur Welt zu bringen und groß zu ziehen. Sie entscheiden sich deshalb gegen die Schwangerschaft.
Die Verteilung der Dignitiy Kits übernimmt Federa, eine Organisation, die seit mehr als 30 Jahren zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit in Polen arbeitet. Polen hat eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa – anders als etwa Deutschland oder eben auch die Ukraine. Gerade im Kontext mit Geflüchteten aber kommt es darauf an schnelle und unbürokratische Hilfe zu leisten, wenn es etwa um Schwangerschaftsabbrüche geht. Dabei und bei allen weiteren Fragen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit helfen die Mitarbeiter:innen von Federa.
Der Bedarf an den Dignity Kits in der Grenzregion ist so groß, dass Geflüchtete bis zu 100 Kilometer nach Rzseszow zurückgelegt haben, um einen der Beutel zu erhalten. „Mitarbeiter:innen eines Familienzentrums der Stadt berichteten uns, dass sie allein an einem Wochenende 700 dieser Kits verteilt haben – in ihrer Freizeit“, so Kathrin Hartkopf.
„Ich danke unseren zahlreichen Unterstützer:innen von Herzen für ihr Engagement.“
Ohnehin ist das Engagement der Mitarbeiter:innen der polnischen Partnerorganisationen beeindruckend. In einem ehemaligen Einkaufszentrum haben sie in kürzester Zeit etwa ein Erstaufnahmezentrum für Geflüchtete errichtet, in dem etwa bis zu 200 Menschen am Tag ankommen. Andere sorgen für die Verteilung der Dignity Kits sogar in der Ukraine. Kathrin Hartkopf: „Unser Besuch zeigt: Die Zivilgesellschaft in Polen ist tatkräftig. Wir haben starke Partner:innen, die klar ihre Bedarfe analysieren und Profis auf dem Gebiet der Katastrophenhilfe sind. Es ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“
Das Engagement in Rzeszow ist eine von zahlreichen Aktivitäten von Plan International Deutschland im Zusammenhang mit der Ukraine-Hilfe. Der Kinderrechtsorganisation stehen aus Spenden bislang mehr als 13 Millionen Euro zur Verfügung. Davon sind gut zehn Millionen bereits fest verplant. Dabei geht es neben Projekten in Polen auch um Hilfe in Rumänien und Moldawien:
Darüber hinaus ist Plan International Deutschland auch hierzulande aktiv. Zu den Inlandsprojekten zählen unter anderem:
„Ich danke unseren zahlreichen Unterstützer:innen von Herzen für ihr Engagement“, sagt Kathrin Hartkopf. „Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag für die Unterstützung der geflüchteten Kinder und ihrer Familien aus der Ukraine. Ich verspreche, wir machen weiter. Wir bauen unsere Aktivitäten aus. Es gab bereits erste Gespräche mit potenziellen Partnerorganisationen in der Ukraine, damit wir auch im Kriegsgebiet selbst Unterstützung für die Betroffenen anbieten können. Wir werden einen langen Atem brauchen - und den haben wir zum Glück schon oft bewiesen.“