Das Erdbeben am 14. August in der Nähe der Stadt Petit Trou de Nippes hat die katastrophale humanitäre Lage in Haiti verschärft. Kurz danach zerstörten starke Regenfälle, ausgelöst durch den Tropensturm Grace, große Teile der Ernten. Jüngste Untersuchungen der Vereinten Nationen zeigen, dass 42 Prozent der Menschen im Karibikstaat unter akuter Nahrungsmittelknappheit leiden. Besonders dringend angewiesen auf Hilfe sind die Kleinsten: Die Fälle lebensbedrohlicher Unterernährung werden sich bei haitianischen Kindern in diesem Jahr voraussichtlich mehr als verdoppeln.
Die von dem Beben betroffenen Gebiete liegen in den Departements Sud, Nippes und Grand’ Anse, wo 2.200 Menschen starben und über 12.000 verletzt wurden. Viele Familien schlafen in den Trümmern ihrer Häuser oder in Notunterkünften, weil mehr als 130.000 Gebäude völlig zerstört oder stark beschädigt wurden. Sie können sich den Wiederaufbau nicht leisten, da das Beben außer den Ernten auch die einkommensschaffenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft zunichte gemacht hat.
Plan International ist seit vielen Jahren mit Projekten im Süden Haitis aktiv und leistet aktuell Nothilfe in den am stärksten vom Erdbeben betroffenen Gemeinden. Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Bildungsprojekte haben dabei Priorität. Mitarbeitende von Partnerorganisationen, Freiwillige, aber auch Eltern, Kinder und Jugendliche werden aufgeklärt, wie Mädchen und Jungen vor Missbrauch und Gewalt effektiv geschützt werden können. Nach den Schulungen erhalten bedürftige Familien Bargeldzahlungen, dank derer sie ihre unmittelbaren Grundbedürfnisse befriedigen können.
In der Erdbebenregion führen unsere Mitarbeiter:innen zudem ein Soforthilfeprojekt zur Bewältigung der Nahrungsmittelkrise durch. Auch erste kinderfreundliche Lernzentren haben sie eingerichtet, in denen Kinder psychosoziale Betreuung erhalten, lernen und spielen können. 906 Schulen wurden durch das Erdbeben teilweise oder vollständig zerstört.
Seit der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse Anfang Juli kämpft Haiti mit äußerst instabilen politischen Verhältnissen und zunehmender Bandenkriminalität. Die Gesundheitsversorgung wurde durch die Covid-19-Pandemie an den Rand des Möglichen gedrängt und die Lebensmittelpreise sind aufgrund der Inflation stark stiegen. Obwohl die Regierung nach dem Beben einen humanitären Korridor aushandelte, errichten Banden Straßensperren oder überfallen LKW-Konvois mit Hilfsgütern. Seit Mitte Oktober erschwert zudem ein Treibstoffmangel die Beschaffung wichtiger Güter.
Mädchen und Frauen berichten, dass sexuelle Belästigung und körperliche Gewalt seit dem Erdbeben zugenommen haben. Viele haben Angst, da sie sich ungeschützt fühlen, wenn sie in den Trümmern ihrer Häuser oder Notunterkünften schlafen. Lesen Sie hier, was die 16-Jährige Joseline aus Haiti zu berichten hat.