Kibera gilt als größter Slum in Kenias Hauptstadt Nairobi. Es ist ein scheinbar unendlich großes Gebiet aus Wellblechhütten und die Heimat von Terry. Vor der Corona-Pandemie schmiedete die 24-Jährige noch Pläne für ihre Zukunft: eine Weiterbildung, einen guten Job finden. Jetzt weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. „Hier herrscht eine Atmosphäre aus Angst, Sorgen und Unsicherheit“, sagt sie. Weil viele Familien durch die Ausgangssperren kein Einkommen mehr haben, können sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern.
Wer nicht zur Arbeit gehen darf, hat sofort keine Einnahmen mehr. Versicherungen und soziale Netze gibt es nicht – auch und gerade in Kibera mit seinen geschätzt bis zu 800.000 Menschen. Statt drei stehen hier häufig nur noch zwei Mahlzeiten pro Tag auf dem Speiseplan. Auch für Terry: „Ich habe Probleme, meine Miete zu bezahlen, und oft habe ich nicht einmal Geld für Essen oder Hygieneartikel."
„Ich kann entweder Lebensmittel kaufen oder eine Packung Binden“
Für heranwachsende Mädchen und Frauen stellt die Pandemie ein besonderes Problem dar: Hygieneartikel wie Monatsbinden werden zu Luxusgütern. Die 17-jährige Marel muss jeden Monat eine Entscheidung treffen: „Ich kann entweder Lebensmittel kaufen oder eine Packung Binden.“ Meist bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich während ihrer Periode mit alten Stoffresten zu behelfen. Auch Nisera weiß kaum anders weiter. Die 16-Jährige bekam wie ihre Mitschülerinnen kostenlose Binden in der Schule. Jetzt sind die Schulen geschlossen – und somit auch der Zugang zu kostenlosen Hygieneartikeln.
Was ihr bleibt, sind alte Lappen, Zeitungspapier oder Blätter. „Ich kann mich nicht mehr hinsetzen und auch keine Arbeiten im Haushalt erledigen, weil ich Angst habe, meine Kleidung zu ruinieren“, fürchtet sie. Gemeinsam mit anderen jungen Frauen setzt sie sich mit Unterstützung von Plan International dafür ein, dass Mädchen in ihrer Gemeinde wieder mit Hygieneartikeln versorgt werden. Dafür gehen Nisera und ihre Freundinnen mitten im Blech-Dschungel von Tür zu Tür, verteilen Binden, klären über Hygienemaßnahmen auf und hören sich die Sorgen und Nöte der Bewohnerinnen an. Der Bedarf ist groß – auch in ländlichen Regionen außerhalb der Hauptstadt. „Es hat mich sehr überrascht, wie viele ältere Frauen ebenfalls in dieser Notlage sind“, sagt Plan-Aktivistin Nisera.
Ein großes Problem in Kibera ist auch die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Das war sie schon vor der Corona-Krise. Doch nun stehen die Menschen vor der Herausforderung, „ob sie das vorhandene Wasser zum Trinken und Kochen oder zum Händewaschen benutzen sollen“, sagt Lornah (21), die wie die anderen jungen Frauen zur „Girls Advocacy Alliance“ gehört. Die Universität, an der sie Pädagogik studiert, ist aufgrund von Covid-19 geschlossen. Seitdem hilft sie an einer der öffentlich zugänglichen Handwaschstationen aus, die Plan International in Kibera errichtet hat. Sie sorgt unter anderem dafür, dass der Tank stets mit Wasser gefüllt ist, und bedient den Wasserhahn für die anderen, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten.
Weil viele Haushalte kein fließendes Wasser haben und öffentliche Einrichtungen geschlossen wurden, sind solche Waschstationen für die Menschen jetzt oft die einzige Möglichkeit, um ihre Hände virenfrei zu halten. Obwohl junge Frauen wie Lornah, Marel, Nisera oder Terry versuchen, positiv in die Zukunft zu blicken, bleibt die Unsicherheit. „Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt“, sagt Terry. „Ich hatte Angst, dass wir alle an Hunger sterben“, sagt sie im Hinblick auf die landesweit gesunkenen Einkommenschancen. Doch die Hilfsmaßnahmen zeigen Wirkung. Deshalb bleibt sie optimistisch: „Ich möchte allen Mädchen und Frauen Mut machen: Haltet durch! Diese Situation wird nicht ewig anhalten.“