Roter Sand wirbelt durch die Luft, als zwanzig Mädchen und junge Frauen in der Nachmittagshitze einem Fußball nachjagen. Der Ball ist ramponiert und alle Spielerinnen sind barfuß, aber was ihnen an Ausrüstung fehlt, machen sie durch Motivation und Freude am Sport wett.
Die Mädchenfußballmannschaft trainiert seit einigen Jahren in dem kleinen Dorf in Inhambane an der zentralen Küste von Mosambik. Die Spielerinnen treffen sich nach der Schule, der Arbeit oder der Hausarbeit auf dem Sandplatz. Beim Sport haben die Mädchen und jungen Frauen eine gute Zeit, was man an ihren Freudenschreien und ihrem Lachen erkennen kann.
Die 18-jährige Eunice nimmt das Tempo auf und schnappt sich den Ball von ihrer Mitspielerin. Sie zieht konzentriert die Augenbrauen zusammen und schießt den Ball weit nach vorn. „In unserer Gemeinde galt Fußball früher als Sport für Jungs. Das reine Mädchenteam hat uns Selbstvertrauen gegeben. Wir arbeiten zusammen und lernen, ein gutes Team zu sein“, sagt sie.
In ihrer Gemeinde ist Eunice nicht nur als begeisterte Fußballspielerin bekannt. Sie ist auch die lauteste Fürsprecherin für die Rechte von Mädchen im Dorf. Als Eunice 13 Jahre alt war, startete Plan International das Projekt „My Body, My Future“ (Mein Körper, meine Zukunft). Die Kinderrechtsorganisation lud junge Menschen ein, zu „Champions of Change“ – also Champions des Wandels – zu werden. In dieser Gruppe lernten sie unter anderem etwas über ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und ihre Rechte.
„Davor wusste ich praktisch nichts über meine Rechte“, sagt Eunice. „Ich sah viele Kinderehen und Teenagerschwangerschaften um mich herum, aber ich hatte keine Ahnung, dass ich etwas dagegen tun konnte. Selbst Entscheidungen zu treffen war für uns Mädchen zuvor schwer, weil wir keine Informationen hatten.“
Die 18-Jährige schließt an: „Ich war schüchtern und es nicht gewohnt, meine Meinung zu äußern. Dank der von Plan International organisierten Schulung bin ich jetzt in der Lage, auch mit meinem Vater und anderen Erwachsenen über sexuelle und reproduktive Rechte zu sprechen.“
Das Haus von Eunice ist nur einen Steinwurf vom Fußballplatz entfernt. Ihre Schwester kocht Maniok auf offener Flamme im Hof. Bunte Wäsche hängt im Wind, und eine Hühnerschar läuft im Sand herum. Vor dem verputzten Haus steht ein kaputter Bus. Eunices Vater verdiente früher Geld mit der Vermietung des Busses an ein örtliches Verkehrsunternehmen, aber jetzt ist er kaputt – und die Reparatur kann sich die Familie nicht leisten.
Aus diesem Grund ist Eunice zu Hause und nicht an der Universität. Die Studiengebühren und das Leben in der Hauptstadt Maputo würden Hunderte von Euro pro Monat kosten. Eunice ist das jüngste von 11 Kindern, und die Familie hat gerade genug Geld gespart, um das Polizeistudium des zweitjüngsten Sohnes zu bezahlen.
„Viele meiner Freundinnen sind bereits Mütter und Ehefrauen geworden. Wenn du die Schule abbrichst, passiert das normalerweise mit dir.“
Die 18-Jährige hat es jedoch hinbekommen, die Sekundarstufe II abzuschließen. Damit hat sie es weiter geschafft als viele andere Mädchen im ländlichen Mosambik. Oftmals brechen sie die Schule ab, aufgrund von Armut, weiter Wege bis zur Schule, ungeplanter Schwangerschaften und Kinderheiraten. „Viele meiner Freundinnen sind bereits Mütter und Ehefrauen geworden. Wenn du die Schule abbrichst, passiert das normalerweise mit dir. Meine Freundinnen waren nicht bereit für die Mutterschaft. Jetzt haben sie weder ein Einkommen noch eine Ausbildung. Oft ist die Armut der Grund, warum Familien ihre Töchter in jungen Jahren verheiraten, aber so bleiben die Mädchen auch arm“, erklärt Eunice.
Eine Gruppe von Mädchen und Jungen im Teenageralter sitzt im Kreis unter einem großen Baobab-Baum in Eunices Garten. Eunice leitet die Diskussion, während die Gruppe darüber nachdenkt, wie man zwei Geschwister unterstützen kann, deren Eltern wegen der Arbeit auswandern und ihre Kinder allein lassen mussten.
„Ich kann jetzt meine Rechte und die Rechte anderer verteidigen.“
Nach ihrem ersten Champions of Change-Training hat Eunice an allen von Plan International in der Provinz Inhambane angebotenen Schulungen teilgenommen. „Ich kann jetzt meine Rechte und die Rechte anderer verteidigen“, sagt sie. Nachdem sie mehr Informationen und Selbstvertrauen gewonnen hatte, beschloss Eunice, in ihrem Dorf eine Gruppe von Aktivist:innen zu gründen. Zurzeit hat die Gruppe zehn Mitglieder, mit denen die 18-Jährige die Informationen und Fähigkeiten teilt, die sie bei der Schulung von Plan International gelernt hat. Sie diskutieren über die Probleme, mit denen Kinder und Jugendliche konfrontiert sind, und darüber, wie man sie angehen kann.
„Wir stoßen auch auf Ablehnung und Verharmlosung. Wir haben jedoch nicht aufgegeben.“
Das wichtigste Instrument der Aktivist:innen ist der Wissensaustausch durch Diskussionen. Junge Menschen müssen hören, dass es gegen das Gesetz verstößt, unter 18 Jahren zu heiraten und schwangere Mädchen von der Schule auszuschließen. Und dass Sex keine Sünde ist, aber ungeschützter Sex zu einer Schwangerschaft oder zu sexuell übertragbaren Krankheiten führen kann. Erwachsene hingegen müssen verstehen, dass die körperliche Bestrafung von Kindern falsch ist, dass Kinderheiraten eine schädliche Tradition sind und dass Mädchen genauso wertvoll sind wie Jungen.
„Wir stoßen auch auf Ablehnung und Verharmlosung. Einige junge Menschen sind skeptisch, ob wir etwas ändern können, und einige Ältere werden wütend, weil sie die Werte, die wir vermitteln, für falsch halten“, erklärt Eunice. „Wir haben jedoch nicht aufgegeben. Unsere Gruppe ist inzwischen weithin bekannt, und die Menschen haben begonnen, sich an uns zu wenden, wenn sie von einer geplanten Kinderheirat hören.“
Eunice und ihrer Gruppe ist es bisher gelungen, 15 Kinderehen zu verhindern und rund hundert schwangere Mädchen dabei zu unterstützen, ihre Schulausbildung fortzusetzen. Wenn die Situation zu kompliziert oder bedrohlich wird, bitten die Aktivist:innen lokale Führungspersonen, Mitarbeitende von Plan International oder die Polizei um Hilfe.
Die Änderung schädlicher Normen steht im Mittelpunkt der Arbeit von Plan International, sagt Nina Yengo, Spezialistin für Gender und Influencing bei Plan International Mosambik. „Wir arbeiten immer aktiv mit den Hütern sozialer Normen zusammen, wie Gemeindevorstehern, religiösen Führern und Heiratsvermittlern. Es ist wichtig, ihnen die schädlichen Auswirkungen der Normen und Traditionen aufzuzeigen. Andererseits müssen wir ihnen auch die Vorteile einer Änderung der Normen vermitteln. Wenn ein Mädchen zum Beispiel nicht in jungen Jahren Mutter wird, kann sie studieren, was ihre Zukunftsaussichten verbessert“, erklärt Nina.
„Einstellungen ändern sich langsam, aber wenn die Gemeinschaften mit eigenen Augen sehen, dass der neue Weg besser ist, ist der Wandel nachhaltig.“
Ihrer Meinung nach sind junge Frauen wie Eunice der Schlüssel zum Wandel. Wenn Menschen schwierige Fragen generations- und geschlechtsübergreifend diskutieren, sehen sie die Dinge in einem neuen Licht und lernen dazu. „Einstellungen ändern sich langsam, aber wenn die Gemeinschaften mit eigenen Augen sehen, dass der neue Weg besser ist, ist der Wandel nachhaltig.“
Bei ihrer Arbeit hat Nina gesehen, wie das Training und der Aktivismus der Champions of Change das Selbstvertrauen der Jugendlichen stärkt. „Immer mehr junge Menschen haben den Mut zu sagen: 'Das ist mein Körper, und ich entscheide, was mit ihm geschieht'. Der Unterschied zwischen den Gemeinden, in denen Plan International präsent ist, und denen, in denen wir nicht arbeiten, ist immens. Die Regierung von Mosambik hat Plan International gebeten, seine Aktivitäten auf neue Gebiete auszuweiten“, sagt Nina.
Es gibt noch viel zu tun, bis die sexuellen und reproduktiven Rechte in Mosambik vollständig respektiert werden. Nina nennt LGBTQI+-Personen als Beispiel für eine Minderheit, deren Rechte nur unzureichend geschützt sind. Verhütungsmittel und Abtreibungsdienste sind nicht weithin bekannt oder für alle zugänglich. Die Schulen bieten keine umfassende Sexualerziehung an, sondern konzentrieren sich meist auf anatomische Fakten. Nina glaubt, dass Plan International und die jungen Aktivist:innen eine wichtige Rolle bei der Lösung dieser Probleme spielen.
Eunice hofft, eines Tages Journalistin zu werden, denn sie möchte die Lage der Mädchen zu einem Nachrichtenthema machen. Ihr Traumjob wäre beim Fernsehen, aber auch die Arbeit beim Radio findet sie reizvoll. Das Radio bietet nämlich eine Möglichkeit, Familien in ländlichen Gebieten zu erreichen, die keinen Zugang zum Fernsehen haben.
Obwohl ein Universitätsstudium für Eunice noch ein ungewisser Traum ist, hat sie eine Ausbildung als Journalistin absolviert. Mit Unterstützung von Plan International durchlief sie eine dreimonatige Berufsausbildung und arbeitete bei einem lokalen Radiosender.
„Ich sehe viele Mädchen, die ihre Träume aufgegeben haben.“
„Ich werde nicht aufhören, mich für die Rechte von Mädchen einzusetzen, bis die Kinderheirat und die Diskriminierung von Mädchen ein Ende haben“, sagt Eunice und betont, dass die Ungerechtigkeiten, die sie in ihrem Dorf sieht, ihr die Kraft geben, ihre Arbeit fortzusetzen. „Ich sehe viele Mädchen, die ihre Träume aufgegeben haben. Es ist schrecklich mitzubekommen, wie ein junger Mensch wegen einer frühen Heirat die Hoffnung verliert. Wir müssen etwas tun!“
Eunice hat fünf ältere Schwestern, die ebenfalls zu früh geheiratet haben. „Damals wusste meine Familie es nicht besser. Meine Eltern waren nicht in der Lage, meine Schwestern zu unterstützen, als sie Teenager waren, aber sie haben mir zugehört und unterstützen meinen Aktivismus. Meine Familie ist offener geworden.“
Auf dem Fußballplatz pfeift Trainerin Casimira, 34, das Spiel ab. Verschwitzt und lächelnd versammeln sich die Spielerinnen in einem Halbkreis um sie und beginnen sich zu dehnen. Casimira lobt die Mädchen für ihren guten Teamgeist und sagt ihnen, wie sie ihr Spiel noch verbessern können.
Die Trainerin hat eine ähnlich inspirierende und energische Einstellung wie Eunice. Das ist kein Wunder, denn Casimira und Eunice sind Schwestern. Der Aktivismus ihrer kleinen Schwester war einer der Gründe, die Casimira vor einigen Jahren dazu inspirierten, eine Fußballmannschaft für Mädchen zu gründen. „Unsere Familie hat schon immer Fußball geschaut, und ich habe mit meinen Schwestern gespielt“, sagt Casimira. Ihre Idee war es, mit Sport und einer Mädchenfußballmannschaft schädliche Geschlechternormen zu bekämpfen.
„Ich habe mir Sorgen um die Mädchen in meiner Gemeinde gemacht. Ich sah in ihnen die gleiche Enttäuschung, die ich hatte, als ich jünger war und nicht genug Informationen und Unterstützung hatte.“ Casimira ging von Tür zu Tür und lud die Mädchen zum Fußballtraining ein. Einige Eltern hielten den Sport für ihre Töchter für unangemessen, trotzdem hatte Casimira bald ein Team von etwa zwanzig Mädchen zusammen. „Casimira und ich unterstützen uns gegenseitig. Fußball und Aktivismus passen gut zusammen, denn beides erfordert Teamwork, Mut und Zielstrebigkeit“, sagt Eunice.
„Als wir mit dem Training begannen, waren viele der Mädchen schüchtern und zurückhaltend, aber das Team hat sie stärker und offener gemacht. Inzwischen ist Fußball für Mädchen in unserer Gemeinde akzeptabler geworden, und ich bin sicher, dass wir zu diesem Wandel beigetragen haben“, sagt Casimira stolz.