„Eigentlich sollte ich 2020 meinen Schulabschluss machen, doch dann kam die Pandemie“, erinnert sich Nuer. „Als die Schulen schlossen, war klar, dass wir nicht so bald zurückkehren würden.“ Die 19-jährige Südsudanesin hält sich mittlerweile von Versammlungen fern, denn dort würden Mädchen von Erwachsenen oft in Kinderehen gelockt, die zu frühen Schwangerschaften führten. Dieses Risiko war mit den Schulschließungen gestiegen, weil ohne einen regulären Schulbetrieb auch der Zugang zu Gesundheitsdiensten für sexuelle und reproduktive Anliegen entfiel.
„Konzentriert euch auf die Bücher“
Seit dem Ausbruch von Covid-19 haben weltweit viele Mädchen mit mehr als der Pandemie zu kämpfen. Allein in Südsudan haben jahrelange bewaffnete Konflikte 1,6 Millionen Menschen zu Vertriebenen im eigenen Land gemacht. Wir von Plan International engagieren uns dort mit Nahrungsmittelhilfe und Schulspeisungen. Doch die Schließung von Schulen und Lockdowns während der Corona-Krise haben zu einem Anstieg von geschlechtsspezifischer Gewalt, Kinderehen sowie Teenager-Schwangerschaften geführt – und damit eine Schatten-Pandemie geschaffen, in der es an Nahrungsmitteln und Sicherheit mangelt.
„Wenn ich die Corona-Pandemie überlebe, ohne schwanger zu werden, dann liegt das an zwei Dingen: Erstens bin ich eine Führungspersönlichkeit in meiner Schule und zweitens bin ich Mitglied des Plan-Projekts ,Champion of Change‘“, sagt Ayen (21). Plan International setzt sich dafür ein, dass Mädchen und junge Frauen Informationen über Ehe- und Familienplanung bekommen sowie ihre Rechte der sexuellen und reproduktiven Gesundheit wahrnehmen können. Dafür bilden unsere Teams weltweit Mädchen und Jungen als sogenannte „Champions des Wandels“ aus. Letztere hinterfragen Geschlechterbilder und tragen zu mehr Gleichberechtigung bei. Auch der Schutz vor einer Covid-19-Ansteckung ist dabei ein Thema. Allein in Südsudan sind es inzwischen 120 Champions, und Ayen ist eine von ihnen.
Manch junge Frau konnte im Lockdown trotzdem nicht vor einer Frühehe geschützt werden: „Einige Freundinnen wurden schwanger. Kein Monat, in dem ich das nicht hörte“, sagt die 16-jährige Monica. „Ich blieb stark und bin heute wieder in der Schule.“ Eine Heirat käme für Monica derzeit nicht infrage, weil sie gesehen habe, was das für Probleme nach sich ziehe, zum Beispiel bei der Nahrungsmittelversorgung. „Ich fordere die Mädchen auf, alles andere zu vergessen und sich auf ihre Bücher zu konzentrieren“, sagt Monica. Und Rachel (20) ergänzt: „Ich bin froh, dass die Regierung beschlossen hat, uns wieder zur Schule gehen zu lassen.“