„Meine Reportagen kamen in die Medien und viele Mädchen fingen an, über Gleichberechtigung und Kinderheirat zu sprechen““
Stell dir folgendes Szenario vor: Du bist ein junges Mädchen in Kambodscha, das auf die Ehe vorbereitet wird. Die anderen Mädchen in deinem Dorf sind bereits mit sehr viel älteren Männern verheiratet oder warten darauf, dass ein Ehemann für sie gefunden wird. Dann schaust du in die sozialen Netzwerke und siehst ein Mädchen, das dir ähnlich ist und darüber berichtet, dass es auch anders gehen kann.
„Meine Reportagen kamen in die Medien und viele Mädchen fingen an, über Gleichberechtigung und Kinderheirat zu sprechen“, berichtet die 18-jährige Karry, die an einer von Plan International in Kambodscha durchgeführten Journalismusausbildung teilgenommen hat.
Bei dem Projekt lernen Mädchen, wie sie Reportagen mit dem Handy produzieren und verbreiten können. Bisher wurden im Rahmen des Projekts zehn Mädchen und junge Frauen geschult, um als Jugendreporterinnen über Kinder-, Früh- und Zwangsheirat zu berichten.
In Zusammenarbeit mit dem kambodschanischen Zentrum für unabhängige Medien haben die Mädchen Geschichten, Interviews und Beiträge für Facebook, Instagram und Co. produziert, die das Thema Kinderheirat und Schulabbruch aus einer einzigartigen Perspektive zu beleuchten: der der Mädchen selbst. „Ich habe mit Mitarbeitenden von Plan International zusammengearbeitet, um einen Bericht über den Zusammenhang zwischen Kinderheirat, Jugendschwangerschaften und Schulabbrüchen zu erstellen“, erzählt Karry stolz.
Zusätzlich zu ihren eigenen Geschichten haben die Mädchen vor kurzem ein Interview mit einer indigenen Frau geführt, die für sie ein großes Vorbild ist. Sie konnte ihrer frühen Ehe entkommen und sich selbst verwirklichen: Heute ist sie stellvertretende Bezirksgouverneurin in der Provinz Ratanakiri.
Erfahrungsberichte wie diese sind sehr wichtig, denn wenn es um Kampagnen zur Abschaffung der Kinderheirat geht, sind diese Stimmen besonders wertvolle Informationen, die durch andere (betroffene) Mädchen oder weibliche Entscheidungsträgerinnen übermittelt werden, zeigen die stärkste Wirkung.
Die Jugendreporterinnen haben auch Vertreter:innen von lokalen Behörden befragt, darunter Beamte der Behörde für Bildung, Jugend und Sport. In ihren Interviews fordern die Mädchen die Verantwortlichen auf, die Rate der Schulabbrüche bei benachteiligten Mädchen offenzulegen. Danach befragten sie sie zu den Maßnahmen, die ihre Abteilungen ergreifen, um diese Zahlen zu verringern und forderten sie auf, Veränderungen zu schaffen, die es allen Mädchen ermöglichen, die Schule mindestens bis zur neunten Klasse zu besuchen.
Die Zahl der Mädchen in Kambodscha, die noch im Kindesalter verheiratet werden, ist sehr hoch: Jedes fünfte Mädchen wird vor seinem 18. Geburtstag verheiratet. Doch der Ansatz von Plan International zeigt zunehmend Wirkung. Neben Informationskampagnen in der Provinz Ratanakiri bietet Plan International auch Berufsausbildungen an, um den Mädchen Alternativen zu einer frühen Heirat zu geben. Darüber hinaus werden Jugendliche im „New Generation“ Projekt über sexuelle und reproduktive Gesundheit aufgeklärt und zu Peer-to-Peer Berater:innen ausgebildet.
Eine der kürzlichen Absolventinnen des Projekts ist die 18-jährige Phon. Sie bekam am eigenen Leib zu spüren, wie es ist, ein unverheiratetes Mädchen in ihrem Dorf zu sein. „Aufgrund der Sitten und Bräuche in meinem Dorf wird man enorm unter Druck gesetzt, früh zu heiraten. Die Leute glauben, dass das wichtig ist, damit es genug Leute gibt, die auf den Feldern helfen. Und die Eltern machen sich sorgen, dass ein unverheiratetes Mädchen eine alte Jungfer und eine Last wird.“
Bestärkt durch das, was sie durch das Projekt gelernt hatte, sagte Phon ihren Eltern, dass sie den Mann, den sie für sie ausgesucht hatten, nicht heiraten würde. „Ihnen war nicht bewusst, wie groß die Gefahren einer Kinderheirat sind. Sie wollten den Normen und Traditionen der Gemeinschaft folgen“, sagt sie. „Dank der Workshops konnte ich sie aber schließlich davon überzeugen, dass meine beruflichen Chancen besser werden, wenn ich die Schule abschließe und nicht jetzt schon heirate.“
„Ich möchte, dass alle Leute in meiner Gemeinde wissen, welche negativen Auswirkungen eine Kinderheirat auf die Menschen hat.“
Jetzt kann Phon die Schule beenden und eine Hochschule besuchen. Nebenbei macht sie Peer-to-Peer Aufklärung in ihrer Gemeinde. „Ich möchte, dass alle Leute in meiner Gemeinde wissen, welche negativen Auswirkungen eine Kinderheirat auf die Menschen hat und dass Bildung bessere Aussichten für die Zukunft und ein gesundes Leben bietet.“ Ihr Traum ist es, diese Arbeit nach dem Studium beruflich zu machen: „Ich will Sozialarbeiterin werden, damit mehr Jugendliche in unserer Gemeinschaft gestärkt werden können“, sagt Phon.
In der Provinz Ratanakiri ist der Austausch von Informationen und die Aufklärung der Schlüssel zur Bekämpfung von Kinderheirat geworden. Die Mädchen verschaffen sich Gehör und stoßen damit Veränderungen an. Inzwischen können viele Mädchen so wie Phon ihre Altersgenossen über sexuelle Gesundheit und die Gefahren von Kinderehen aufklären.
Karry und die anderen Reporterinnen wissen jetzt, wie sie effektiv über Kinderheirat berichten und ihre Botschaften in der ganzen Provinz verbreiten können. „Ich bin Plan International sehr dankbar, dass sie mir diesen Zugang zum Journalismus ermöglicht haben. Jetzt kann ich dadurch Mädchen bestärken. Ich habe noch viel zu lernen, aber ich bin fest entschlossen, so viele Menschen wie möglich zu informieren“, betont Karry.