Die hell-lila Schuluniform sitzt ein bisschen locker bei dem schlanken Mädchen, aber sie hat nicht einen einzelnen Fleck oder Knick. Diese Uniform ist der ganze Stolz der äthiopischen Beyenech, 16 Jahre alt. Die Uniform zeigt, dass sie eine Schülerin einer weiterführenden Schule ist. „Ich liebe es, neue Dinge zu lernen. Ich liebe es, zur Schule zu gehen“, sagt Beyenech mit einem großen Lächeln im Schulbüro. Vor zwei Jahren hätte ihre Ausbildung beinahe keine Zukunft mehr gehabt. Ihr Vater erzählte ihr, dass das Geld, was sie für die Bildung ausgeben, Verschwendung sei.
Das Haus der Familie war kaum mehr als eine Abdeckhaube und während der Regenzeit war der Boden so überflutet, dass Beyenech und ihre Geschwister in das Haus ihrer Großmutter mussten. Manchmal hatten sie nichts zu essen.
„Mein Vater war oft betrunken und schlug meine Mutter. Meine Schwestern und ich hatten Angst, als er betrunken nach Hause kam und es fiel mir schwer, mich auf meine Hausaufgaben zu konzentrieren.“
Als Beyenech 14 geworden ist, sagte ihr Vater, dass es für sie an der Zeit wäre, zu heiraten und eine eigene Familie zu gründen. „Er hat mich schon einem alten Mann als Frau versprochen. Das bedeutete auch, dass ich bald beschnitten werden musste.“
„Ich hatte Angst vor der Zukunft.“
In Bonazuria, dem Gebiet, in dem sie lebt, sind die Menschen davon überzeugt, dass nur ein beschnittenes Mädchen gesittet und folgsam ist und somit in die Rolle einer Braut passt. Es wird auch gesagt, dass beschnittene Mädchen Jungen gebären, welche den Mädchen bevorzugt werden. Nach dem traditionellen Glauben gelten unbeschnittene Mädchen als ungebärdig, die Männern hinterherrennen. Deshalb stellten die Eltern sicher, dass die Mädchen spätestens im Teenageralter beschnitten werden. Die Mädchen im jungen Alter zu verheiraten ist ebenso mit dem Gedanken, dass sie keusch und gehorsam sind.
„Ich hatte Angst vor der Zukunft. Ich hatte den Mann, dem ich versprochen wurde, noch nie gesehen. Ich wusste: Wenn man in diesem Alter Mutter wird, gibt es Probleme. Viele Mädchen sterben während der Geburt an Komplikationen. Ich wusste auch, wenn ich nicht mehr zur Schule gehe, würde ich später kein eigenes Einkommen haben“, sagte Beyenech.
„Wenn ich diesen Brief nicht geschrieben hätte, wäre ich jetzt Ehefrau und Mutter eines Kindes. Meine Träume wären geplatzt.“
Beyenechs Lebens nahm plötzliche dank ihres Muts und Entschlossenheit eine neue Wendung. Das und ein Schild an der Straße: Plan International warb mit einem Schild für die Bedeutung und Wichtigkeit der Bildung für Mädchen. „Ich dachte, dass vielleicht diese Leute mir helfen können. Ich schrieb einen Brief und hoffte auf das Beste.“ erinnert sich Beyenech. Sehr bald kamen Mitarbeiterinnen von Plan zu Beyenechs Familie nach Hause und hatten ein ernstes Gespräch mit ihrem Vater. Sie schafften es, ihn davon zu überzeugen, die Hochzeit und die weibliche Beschneidung abzubrechen.
Beyenechs Eltern wurden Mittel zur Verfügung gestellt, damit sie ihr Haus renovieren konnten, sich Haustiere kaufen konnten und die Kinder erhielten Schuluniformen und das nötige Schulmaterial und Bücher. Beyenech konnte sogar in die Stadt ziehen, wo sie nun eine weiterführende Schule besucht.
„Wenn ich diesen Brief nicht geschrieben hätte, wäre ich jetzt Ehefrau und Mutter eines Kindes. Meine Träume wären geplatzt.“ sagt Beyenech. Stattdessen sieht ihre Zukunft jetzt rosig aus.
„Ich will Ärztin oder Mitglied eines Parlaments werden, denn ich will den Menschen helfen, ihre Probleme zu lösen. Mir wurde geholfen, also möchte ich anderen helfen. Ich habe nicht vor zu heiraten bis ich meine eigenen Ziele erreicht habe.“ sagt Beyenech.