Im Azraq-Camp in Jordanien, das rund 40.000 geflüchtete Menschen aus Syrien beherbergt, lebt die 17-jährige Nuwwar. Wenn sie im örtlichen Plan-Büro sitzt und lächelt, hellt das die Stimmung im ganzen Raum auf. Doch die junge Frau und ihre Mutter berichten, dass die Heiterkeit nicht immer alltäglich sei. Das Leben in der Notunterkunft für geflüchtete Menschen geht mit vielen Herausforderungen für Jugendliche einher: ein Leben fernab der Heimat mit unsicheren Zukunftsaussichten. Nuwwar ist zusätzlich in ihrer Sprechfähigkeit eingeschränkt und bewegt sich mithilfe eines Rollstuhls fort. Dabei stößt sie im Camp auf viele bauliche Beeinträchtigungen: Sie kann nicht an den Aktivitäten der anderen Kinder teilnehmen und auch der Schulbesuch ist eine Herausforderung.
So verbrachte sie viel Zeit zuhause vor dem Fernseher und verließ das Haus nur, um zur Schule zu gehen. „Mein Leben war sehr isoliert“, berichtet Nuwwar. Ihre Mutter war besorgt um das Wohlergehen ihrer Tochter und suchte händeringend nach Möglichkeiten, um sie zu fördern. Von einer Bekannten erfuhr sie von einem neuen Projekt, das von Plan International im Geflüchteten-Camp durchgeführt wird.
„Mein Leben war sehr isoliert.“
Das Projekt Najahna, arabisch für unser Erfolg, unterstützt Kinder und Jugendliche auf ihrem Bildungsweg. Es schließt Bildungslücken, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, da viele Schüler:innen keinen Zugang zu Computern oder dem Internet haben, um am Online-Unterricht der Regierung teilzunehmen. Um die Kinder zu unterstützen, wurden Whatsapp-Gruppen eingerichtet, in denen regelmäßig interaktive Sitzungen stattfinden, und es gibt wöchentliche Präsenztreffen zum Wiederholen und Diskutieren des Gelernten. Zudem wurden über 1.500 Tablets an Jugendliche verteilt, die keinen Zugang zu Computern oder Mobilgeräten hatten.
„Ich möchte, dass meine Tochter eine faire Chance hat“
Als Nuwwars Mutter erfuhr, dass das Projekt den Schüler:innen Unterricht in Arabisch und Mathematik anbietet, meldete sie ihre Tochter sofort an. „Ich möchte, dass meine Tochter eine faire Chance hat. Ich hatte die Hoffnung, dass Nuwwar einerseits ihr Wissen erweitern kann und auch gleichzeitig mit mehr jungen Menschen in Kontakt kommt, die vielleicht ähnliche Erfahrungen haben, wie sie. Ich will, dass sie weiß, dass sie nicht allein ist.“
Die Teilnahme an den Lerneinheiten veränderte das Leben von Nuwwar und ihrer Familie grundlegend. Die junge Frau ist selbstbewusster und kommunikativer geworden, was sich positiv auf die Familiendynamik auswirkt. Nach jeder Unterrichtseinheit teilt sie ihr neu erworbenes Wissen mit ihren Geschwistern, die ihr wiederum bei den Hausaufgaben behilflich sind. Durch das Projekt wurden die Geschwister einander nähergebracht, was ihre Mutter freut.
„Wir haben dank des festen Zeitplans eine neue Routine für mich“, erzählt Nuwwar. „Meine Familie wechseln sich damit ab, mich zum wöchentlichen Unterricht zu bringen, was uns hilft, eine Verbindung aufzubauen.“ Nicht nur zu ihren Geschwistern, sondern auch zu anderen Jugendlichen konnte Nuwwar im Projekt eine bessere Beziehung aufbauen. „Ich habe anderen Menschen wie mich kennengelernt. Jetzt fühle ich mich nicht mehr so einsam.“
Die Menschen in ihrer Umgebung haben eine Veränderung in Nuwwars Persönlichkeit beobachtet. Früher war sie schüchtern und zurückhaltend und redete nicht gern mit anderen. Doch mit ihrem neu gewonnen Selbstvertrauen macht sich ihre Mutter kaum mehr Sorgen um die Zukunft ihrer Tochter. Sie weiß, dass Nuwwar in der Lage ist, die Dinge anzupacken, die vor ihr liegen.
„Ich habe Menschen wie mich kennengelernt. Jetzt fühle ich mich nicht mehr so einsam.“
Das Najahna-Projekt zielt darauf ab, jugendliche syrische Geflüchtete zwischen zwölf und 15 Jahren zu stärken, ihre Ausbildung zu fördern und tragfähige Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei ist es ein besonderes Anliegen, auch gesellschaftlich benachteiligte Jugendliche einzubinden und in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Nuwwars Geschichte wurde mit Material aus dem jordanischen Plan-Büro aufgeschrieben.