Drei Jahre ist es her, das Fatoumata* auf dem Weg zur Toilette von einem Mann angegriffen und vergewaltigt wurde. Der Fremde floh nach der Tat. Doch die heute 16-Jährige kann dem, was er ihr angetan hat, nicht entfliehen. Noch immer kämpft die junge Malierin damit, das Geschehene zu verarbeiten. „Er folgte mir ins Bad. Er schlug mich hart, ich fiel hin und schlug mit dem Kopf auf einen Stein“, erinnert sich Fatoumata. Nach dem traumatischen Erlebnis schwieg die damals 13-Jährige wochenlang. „Ich weigerte mich, jemandem von meinem Schicksal zu erzählen. Ich hatte Angst, dass alle meine Freund mich meiden oder mir nicht glauben würden.“
Als Fatoumata jedoch einige Wochen später feststellte, dass sich ihre Periode verspätet hatte, brach sie ihr Schweigen und vertraute sich ihrer älteren Schwester an. Diese kaufte ihr einen Schwangerschaftstest – und der bestätigte Fatoumatas schlimmste Befürchtung: Sie war von ihrem Vergewaltiger schwanger.
„Die Situation macht mir sehr zu schaffen.“
Als sich ihre Schwangerschaft herumsprach, passierte genau das, wovor sich das Mädchen so sehr gefürchtet hatte: „Die Menschen lehnten mich ab, so sehr, dass sie die Straßenseite wechseln, wenn sie mich treffen. Ich habe keine Freunde mehr“, sagt Fatoumata. „Ich schäme mich. Die Situation macht mir sehr zu schaffen.“
Doch aufgegeben hat die 16-Jährige nicht. Ihre Tochter Awa* ist inzwischen zwei Jahre alt und der Sonnenschein der Familie, die Fatoumata immer unterstützt hat. Ihre Mutter, die selbst eine Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt ist, weiß, wie schwierig es ist, in Mali ein Mädchen und eine Frau zu sein. „So viele Leute sagten, ich solle meine Tochter aus dem Haus werfen“ erinnert sie sich. „Ich habe mich geweigert. Ich wollte ihr nicht noch mehr Leid zufügen. Ich habe jetzt eine Enkelin, um die ich mich gern kümmere. Man muss sich für Kinder einsetzen, die etwas so Schreckliches erlebt haben.“ Wer Awa beim Spielen zusieht, merkt, dass sie ein Kind ist, das geliebt wird und das in einer dunklen Zeit der Familie Licht gebracht hat. Fatoumatas ältere Schwester hat ihre Nichte besonders gern: „Das Kind ist wie mein eigenes“, sagt sie. „Ich liebe sie, sie ist ein so fröhliches Kind, das immer lächelt.“
„Ich hatte nicht das Glück, jemanden zu haben, der mich verteidigt hat. Ich möchte diese Person für andere Mädchen sein.“
Von Plan International hat Fatoumata Lebensmittel, Kleidung und Spielzeug für ihre Tochter erhalten. Unsere Mitarbeiter:innen haben ihr außerdem geholfen, wieder zur Schule gehen zu können, was ihr Hoffnung für ihre Zukunft gegeben hat. Aktuell nimmt sie Nachhol-Unterricht in Mathe, Englisch und Französisch, um bald wieder in die örtliche Schule eingegliedert werden zu können. Fatoumata ist eine ehrgeizige Lernerin, denn sie hat große Ziele: Sie will sich für Mädchen, die geschlechtsspezifische Gewalt erleben, einsetzen. „Ich möchte Anwältin werden und später Richterin“, erzählt Fatoumata. „Ich will faire Prozesse gewährleisten und für Gerechtigkeit sorgen. Kein Mädchen soll die gleiche Situation durchmachen müssen wie ich. Ich hatte nicht das Glück, jemanden zu haben, der mich verteidigt hat. Ich möchte diese Person für andere Mädchen sein, sie unterstützen und mich dafür einsetzen, dass es in Mali keine Menschenrechtsverletzungen mehr gibt.“
*Namen zum Schutz der Identität geändert.
Fatoumatas Geschichte wurde mit Matrial aus dem Plan-Büro in Mali aufgeschrieben.