Der Fokus ist auf etwas anderes gerichtet und das bekommen Menschen wie die 14-jährige Adriana zu spüren. Wegen Kriegen, Klimawandel und Pandemie liegt die öffentliche Aufmerksamkeit weltweit kaum noch auf den mehr als sieben Millionen Menschen, die Venezuela seit 2015 wegen einer anhaltenden sozioökonomischen Krise verlassen haben. Adrianas Familie, die derzeit in Peru lebt, hat sich die Entscheidung, zu gehen, nicht leicht gemacht. Und hier im Gastland fällt ihnen die Anpassung an die neue Umgebung trotz gleicher Sprache noch schwerer.
„Ich bin sensibel, vor allem angesichts der Diskriminierung, die ich erlebt habe.“
In Venezuela war Adriana extrovertiert, aber seit sie nach Peru gezogen ist, hat sich ihre Persönlichkeit gewandelt. Inzwischen beschreibt sie sich als zurückhaltend: „Ich halte mich für willensstark, aber gleichzeitig bin ich sensibel, vor allem im Angesicht der Diskriminierung, die ich gesehen und erlebt habe.“
Ihre ersten Monate in der peruanischen Schule waren von Mobbing geprägt: „Ich wurde von den anderen gehänselt, weil sie mich als ,fremd‘ ansahen“, erklärt Adriana. „Sie hatten kein Verständnis für meine Situation und machten sich über mich lustig.“ Die junge Migrantin beschreibt diese Erfahrung als „hart und demotivierend“, die negativen Sprüche verringerten ihr Selbstwertgefühl. Gleichzeitig war sie frustriert, dass ihre Landsleute die Situation in Peru anscheinend als normalen Prozess der Integration in ein neues Land akzeptierten.
„Ich sage: ‚Hey, lass mich erklären, warum das falsch ist‘.“
Die Lage änderte sich für Adriana, als sie an dem von Plan International durchgeführten Projekt „Entornos Seguros“ (sicheres Umfeld) teilnahm. In Workshops mit anderen venezolanischen Mädchen lernte sie ihre Rechte besser kennen und wurde ermutigt, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Stück für Stück gewann sie ihr Selbstbewusstsein zurück. „Die Schule macht mir jetzt wieder Spaß. Obwohl andere Kinder immer noch dieselben Kommentare machen, achte ich weniger auf sie. Manchmal versuche ich, sie zu korrigieren, und sage: ‚Hey, sag das nicht! Lass mich erklären, warum das falsch ist‘“, berichtet Adriana stolz. „Wenn ich nach den Workshops nachhause komme, erzähle ich meiner Großmutter alles. Ich finde es wichtig, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben, damit ich meiner Gemeinschaft helfen kann.“
Das Projekt „Entornos Seguros“ geht auf eine Initiative von Plan International zurück, die vom UNHCR und von der Europäischen Union unterstützt wird. Sie zielt darauf ab, venezolanischen Kindern und Jugendlichen zur Integration in die neuen Gemeinden zu verhelfen, durch Aktivitäten in den Bereichen Bildung, Kinderschutz, Jugendbeteiligung, Unternehmertum und interkulturelle Kompetenzen. Mit Erfolg, denn wann immer Adriana andere venezolanische Jugendliche trifft, rät sie ihnen, sich negative Kommentare nicht zu Herzen zu nehmen: „Versucht, euch nicht davon beeinflussen zu lassen. Meidet die Leute, die euch belästigen, kämpft stattdessen für eure Träume. Steht zueinander, das ist das Wichtigste.“