„Als wir ankamen, schliefen wir drei Tage lang auf dem Busbahnhof.“
Ihr Vieh können sie noch verkaufen, doch ihr weiteres Hab und Gut müssen Bandiba und ihr Mann zurücklassen: 2018 kommen bewaffnete Gruppen in ihr Dorf in der burkinischen Region Est im Osten des Landes. Sie töten unter anderem Bandibas Schwager. Daraufhin flieht die junge Frau mit ihrer Familie nach Fada N’Gourma, die 120 Kilometer entfernte Hauptstadt der Region. „Als wir ankamen, schliefen wir drei Tage lang auf dem Busbahnhof“, erinnert sich die heute 24-Jährige. „Dann kamen wir bei einem Onkel meines Mannes unter. Schließlich wurde uns ein Zelt zugewiesen, in dem wir zwei Jahre lang lebten. Es war wirklich schwer, an Essen zu kommen. Es wurde zwar welches verteilt, doch es war nicht genug.“
Burkina Faso befindet sich in einer tiefen Krise: Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen sechs Jahren massiv verschlechtert, die Zahl bewaffneter Konflikte nimmt seitdem zu. In einer Untersuchung, die die Auswirkungen von Terrorismus in 163 Ländern auswertet, lag Burkina Faso 2023 auf Platz zwei. Insgesamt sind in dem westafrikanischen Land zwei Millionen Menschen auf der Flucht. In Fada N’Gourma lebten Ende März 2023 mehr als 124.000 Binnenvertriebene – zusätzlich zu den fast 188.000 Einwohner:innen der Stadt. Die wachsende Bevölkerung hat dazu geführt, dass die Grundversorgung, insbesondere mit Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischen Dienstleistungen, immer schwieriger wird.
Als sich der Konflikt immer weiter verschärft, beschließt Bandibas Ehemann Miahanla (34), mit seinen Ersparnissen ein Stück Land zu kaufen und ein kleines Haus zu bauen. Damit hat die Familie ein festes Zuhause, aber Bandiba selbst ist noch immer mittellos. Eines Tages hört sie von einem Nähkurs, der in einem nahen gelegenen Ausbildungszentrum angeboten wird – und fasst den Entschluss, sich anzumelden. Um die Kosten für den Kurs bezahlen zu können, arbeitet sie noch härter als zuvor, sammelt Holz und Kies, um sie zu verkaufen. Das Geld, das sie verdient, reicht, um drei Monate lang am Nähkurs teilzunehmen. Mit ihren neuen Fähigkeiten ist Bandiba danach in der Lage, in ihrem Haus mit einer alten Tretnähmaschine ein kleines Unternehmen zu gründen. Doch das Geschäft läuft nur langsam an, das Einkommen ist bescheiden.
Das Blatt wendet sich, als Bandiba 2022 die Möglichkeit erhält, an einem von Plan International durchgeführten Schulungsprogramm für Unternehmertum teilzunehmen. Sie macht Weiterbildungen in den Bereichen Finanzen, Sparpraktiken, Marketing und Zukunftsplanung. Zusätzlich gibt es 150 Euro Startkapital, damit Bandiba ihr Geschäft ausbauen kann.
Mit dieser Unterstützung richtet die 24-Jährige eine Werkstatt vor ihrem Haus ein, kauft bessere Nähausrüstung und stellt eine junge Frau als Auszubildende ein. „Ich brauchte einen Schneidetisch und Bänke für meine Kundinnen. Außerdem konnte ich eine Menge Ausrüstung und Zubehör kaufen, sogar eine elektrische Nähmaschine“, erzählt Bandiba.
„Ich bin die erste Adresse, wenn es um Näharbeiten geht.“
Dank ihres neu erworbenen Wissens und der Hilfe von Menschen, die sie weiterempfehlen, ist Bandiba zwei Jahre später als ausgezeichnete Schneiderin bekannt – und beschäftigt nun sechs Auszubildende. „Ehrlich gesagt läuft es ganz gut“, sagt sie nicht ohne Stolz. „Meine Nachbarinnen machen Werbung für uns, weil sie mit der Qualität unserer Dienstleistungen sehr zufrieden sind. Ich bin die erste Adresse, wenn es um Näharbeiten geht – für Frauen und für Männer, das steht fest.“
Bandiba ist nun finanziell unabhängig und kann Pläne für sich und ihre Kinder machen. „Früher war es schwierig, bestimmte Wünsche zu erfüllen und Bedürfnisse zu decken. Oft musste ich meinen Mann um Geld bitten“, sagt sie. „Jetzt habe ich Geld, um Wasser zu bezahlen, wenn ich zum Brunnen gehe, um Lebensmittel, Seife, Holz, Kleidung und Schuhe zu kaufen sowie Medizin für die Kinder, wenn sie krank sind. Ich muss meinen Mann nicht mehr bitten.“
Miahanla freut sich, dass es seiner Frau gut geht und sie ihr eigenes Geld verdient. „In der Krise, die wir durchgemacht haben, muss man in Fada für alles bezahlen – sogar für Wasser“, erklärt er. „Ich habe einen kleinen Laden vor unserem Haus und betreibe ein wenig Handel. Dank der Arbeit von Bandiba können wir gemeinsam ein menschenwürdiges Leben führen. Ich freue mich für meine Frau, ihr Geschäft läuft gut. Sie gibt mir oft Geld, das ich für die Zukunft unserer Kinder zurücklegen kann.“
„Ich freue mich für meine Frau. Dank ihrer Arbeit können wir gemeinsam ein menschenwürdiges Leben führen.“
Bandiba möchte ihr Geschäft weiter ausbauen: „Mein Wunsch ist es, noch mehr Menschen auszubilden“, so die 24-Jährige. Eines Tages, sagt sie, wolle sie eine größere Werkstatt bauen und mehr Nähmaschinen kaufen. „Noch verdiene ich dafür nicht genug“, räumt sie ein.
Die Kinder von Bandiba und Miahanla gehen zur Schule. Doch das Ehepaar unterstützt auch eine Reihe von Kindern, die durch den bewaffneten Konflikt in Burkina Faso zu Waisen geworden sind. „Wenn ich die Kinder morgens für die Schule vorbereite, bin ich sehr glücklich. Denn es bedeutet, dass ich sie auf ein erfolgreiches Leben vorbereite“, sagt Bandiba, die sich für ihre Kinder eine Zukunft als Lehrkräfte oder Gesundheitshelfer:innen vorstellen kann. „Es gibt mir Hoffnung. Ich habe keine Angst mehr vor der Zukunft für mich und für meine Familie.“
Dieser Artikel wurde mit Material aus dem burkinischen Plan-Büro erstellt.