Djamila verließ die Schule, als sie zwölf Jahre alt war. Sie war mit ihren Schulaufgaben in Rückstand gekommen – Defizite, die sie nicht wieder aufholen konnte. Denn außerhalb der Schule kümmerte sie sich um die Tiere der Familie, die in der nigrischen Region Maradi lebt. Die heute 18-Jährige sehnte sich jedoch nach einer Arbeit, die ihr ein geregeltes Einkommen verschaffen würde.
Wie Djamila brachen auch die meisten ihrer Freundinnen die Schule vorzeitig ab. Entweder, weil ihre Familien nicht mehr bereit waren, ihre Ausbildung zu unterstützen, oder weil sie geheiratet hatten. „Die meisten meiner Freundinnen sind arbeitslos, weil sie das Schulmaterial und die Gebühren nicht bezahlen können oder weil ihre Ehemänner sie daran hindern, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften“, erzählt Djamila.
In Niger haben junge Menschen erhebliche Schwierigkeiten, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen: 69 Prozent von ihnen gehen dort weder zur Schule noch machen sie eine Ausbildung oder haben eine Beschäftigung. Junge Frauen sind am stärksten betroffen: 77 Prozent sind arbeitslos – während es 57 Prozent der jungen Männer sind. Der ungleiche Zugang junger Männer und Frauen zu wirtschaftlichen Möglichkeiten wird häufig durch stereotype Geschlechternormen verstärkt, welche die Rolle der Frau in dem westafrikanischen Land auf den häuslichen Bereich beschränkt.
„Junge Menschen nehmen nicht an der Entscheidungsfindung im Stadtrat teil, sodass sie sich nicht für die Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche einsetzen können.“
Darüber hinaus trägt die mangelnde Einbeziehung junger Menschen, insbesondere junger Frauen, in Entscheidungsprozesse zu einem schwachen sozialen Zusammenhalt bei. „Junge Menschen nehmen nicht an der Entscheidungsfindung im Stadtrat teil, sodass sie sich nicht für die Schaffung von Arbeitsplätzen für arbeitslose Jugendliche einsetzen können“, sagt Djamila. Sie selbst beschloss eines Tages, ihren Bruder zu ihrem örtlichen Ausbildungszentrum zu begleiten, wo er einen Schreinerlehrgang absolvierte. Der Ausbilder zeigte ihr, wie man ein Brett zuschneidet und erkannte, dass sie sich ebenfalls für den Beruf interessierte.
Das „Youth Resilience“-Projekt (etwa: Wiederstandsfähigkeit von Jugendlichen) von Plan International zielt darauf ab, junge Menschen wirtschaftlich und in ihrer sozialen Emanzipation zu stärken. Dabei wird ein auf ihren Rechten basierender, inklusiver und gendertransformativer Ansatz verfolgt. Es werden nachhaltige Lösungen angeboten, um den sozialen Zusammenhalt in den Programmgebieten zu stärken und letztlich zur Friedensbildung beizutragen. 800 junge Menschen lernen in sechs Ausbildungszentren Schreinern, Kosmetik und Lebensmittelverarbeitung. Ihnen soll zudem die Gründung eines Kleinstunternehmens erleichtert werden. Als Djamila das Projekt zum ersten Mal besuchte, war sie noch keine eingeschriebene Teilnehmerin. Daher schlug der Ausbilder ihr vor, den Unterricht als Freiwillige zu besuchen. „Ich nahm das Angebot gern an“, so die junge Frau.
Zwei von drei nigrischen Frauen unter 25 Jahren sind arbeitslos, zeigen aktuelle Statistiken. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, ihnen Zugang zu beruflicher Bildung zu verschaffen. Denn eine widerstandsfähige Gesellschaft, in der junge Menschen ansprechende wirtschaftliche Möglichkeiten haben und Entscheidungen darüber treffen können, sind Schlüsselfaktoren für die Verwirklichung von Nigers Verpflichtung zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung.
„Die Mitarbeiter von Plan International, die das Ausbildungszentrum betreuen, sprachen mich an, weil ich das einzige Mädchen war, das Holzarbeiten lernte“, erzählt Djamila. „Mit Zustimmung des Leiters des Ausbildungszentrums wurde ich offiziell in das Programm aufgenommen. Außerdem erhielt ich 10.000 CFA-Franc (ca. 15 Euro) für die tägliche Anfahrt, und nach erfolgreicher Ausbildung werde ich 150.000 CFA-Franc (ca. 227 Euro) als Anschubfinanzierung erhalten, um mein eigenes Unternehmen zu gründen.“
Djamila sagt, dass die Ausbildung ihr Selbstvertrauen gestärkt habe und sie optimistisch in ihre Zukunft blicke. „Vorher war ich gestresst, weil ich ständig zu Hause war und mich die Routine langweilte. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal etwas anderes als Hausarbeit machen könnte“, sagt die 18-Jährige. Sie ist froh, eine Frau in einem von Männern dominierten Beruf zu sein. Ihre eigene Mutter sei dafür die Inspiration gewesen, sagt sie. „Mein Vater ist Viehzüchter und meine Mutter verkauft Fleisch. Das ist ein Beruf, der hier normalerweise von Männern ausgeübt wird. In meiner Familie sind die Frauen Kämpferinnen. Wir tun Dinge, die Männer tun. Ich zeige, dass Frauen in der Lage sind, vermeintliche Männerarbeit zu leisten. In fünf Jahren möchte ich meine eigene Lehrwerkstatt haben, um arbeitslose Familienmitglieder und die jungen Leute in meinem Dorf zu unterrichten.“
Djamilas Geschichte wurde mit Material aus dem nigrischen Plan-Büro erstellt.