Fünf Frauen in der traditionellen Kleidung des Oberen Nil von Südsudan sind mit der Zubereitung von Speisen und dem Abwasch von Geschirr beschäftigt. Die Mittagspause naht, dann herrscht in dem Lokal Hochbetrieb. Es befindet sich inmitten eines Camps für geflüchtete Menschen und nahe von Malakal, Hauptstadt des Bundesstaats Central Upper Nile. Im Restaurant genießen bereits zwei Männer schwarzen Kaffee mit Ingwer und Zimt – die Spezialität von Angelina und ihren vier Kolleginnen. In jeder Hinsicht läuft das Geschäft gut.
Vor einigen Jahren war dies noch nicht der Fall. „Wir haben diesen Raum als Haus genutzt, in dem ich mit meinen Kindern lebte. Nach einigen Überlegungen habe ich es in ein Restaurant umgewandelt, in dem ich Tee, Gebäck und ein paar Gerichte aus Fisch und Gemüse verkaufte. Allerdings kamen nur wenige Kunden“, sagt Angelina.
„Wir haben früher in diesem Raum gelebt.“
Angelina ist Witwe und hat drei Kinder. Ihr Mann starb 2004 in der Stadt Malakal, in der sie früher lebten. Als der bewaffnete Konflikt in Südsudan 2013 begann, zog sie in ein Lager für vertriebene Menschen, um Schutz zu suchen. Doch außer ihrer Familie hatten dort über 50.000 andere Personen Zuflucht gesucht. Als die Familie dort ankam, war das Leben hart: „Es fehlte an Lebensmitteln, die Kinder waren wegen der schlechten Ernährung ständig krank und manchmal zu schwach, um zur Schule zu gehen.“
Um über die Runden zu kommen, lieh sich Angelina etwas Geld und begann damit, eingesammeltes Brennholz auf dem örtlichen Markt zu verkaufen. Später beschloss sie, mit den wenigen Ersparnissen ein Restaurant zu eröffnen. Doch noch bevor sie es zu einem rentablen Geschäft ausbauen konnte, wurde sie schwanger.
Eine schwierige Kaiserschnittgeburt hielt sie lange Zeit im Krankenhaus, was die Entwicklung ihrer Geschäftsidee bremste. „Ich konnte meine beiden Kinder nicht zur Schule schicken und hätte das Restaurant fast geschlossen“, sagt Angelina. „Es gab Hilfsorganisationen, die den Menschen im Lager halfen, aber sie haben mich nie erreicht. Ich musste mich auf mich selbst verlassen, um zu überleben.“
2021 führte Plan International in dem Lager ein Programm mit Bargeld-Transfers durch. Damit sollten gezielt Menschen unterstützt werden, die von den jahrelangen Konflikten betroffen sind und deren Situation sich durch die Auswirkungen des Klimawandels, durch Dürre und Erosion, noch verschärft hatte.
„Ich konnte meine Kinder nicht zur Schule schicken und hätte das Restaurant fast geschlossen.“
Angelina wurde für das Projekt ausgewählt und erhielt zwischen August und November 2022 umgerechnet 620 Euro in vier Raten. Die Zahlungen markierten einen Wendepunkt in ihrem Leben: „Als Plan International mir das Geld gab, habe ich alle meine Schulden beglichen. Einen Teil habe ich als Kapitalspritze für das Restaurant verwendet und einen anderen bei der Spar- und Darlehensgruppe hier in der Gemeinde investiert.“ Diese Mikrofinanzgruppen funktionieren nach dem Prinzip einer Kooperative. Alle Beteiligten tragen gemeinsam das finanzielle Risiko – profitieren vor allem aber von zinsgünstigen Kleinkrediten, die innerhalb der Gruppe vergeben werden. Angelina profitierte davon – und kann heute in ihrem Restaurant sechs verschiedene Suppen und diverse lokale Speisen anbieten. „Das zieht viele Gäste an“, sagt Angelina.
Das Projekt ist Teil einer humanitären Hilfskampagne, die in einem Zusammenschluss von 14 Organisationen durchgeführt wird. Im Rahmen des auf zwei Jahre angelegten gemeinsamen Hilfsprojekts wird Bargeld an 6.300 Menschen verteilt, um deren unmittelbare Bedürfnisse zu decken. Die Leistungen kommen besonders gefährdeten Menschen mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit zugute, beispielsweise ältere Menschen oder Menschen mit chronischen Krankheiten.
Für Angelina hat sich dadurch die Zukunft für sich selbst und ihre Kinder vielversprechend gewandelt. „Durch die Teilnahme an einer Spargruppe hoffe ich, bis Ende 2023 insgesamt 100.000 Südsudanesische Pfund (SSP, etwa 650 Euro) zu sparen“, sagt die umtriebige Geschäftsfrau. „Ich möchte neue Stühle und Tische kaufen, neue Werkzeuge und Kochutensilien anschaffen, um das Geschäft auszubauen. Ich möchte ein besseres Leben führen und vor allem meine Kinder ohne Probleme zur Schule schicken.“
Die Geschichte von Angelina wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Südsudan erstellt.