Auf dem Rennrad in die Zukunft

Foto: Solange Iradukunda

Olivia ist eine junge Frau mit Träumen, die so groß sind wie die weiten Straßen Ruandas. Um sie zu erfüllen, setzt die 20-Jährige alles auf eine Karte – und sich regelmäßig auf den Fahrradsattel.

Mittwoch und Samstag sind Olivias Trainingstage. Dann fährt sie mit vierzehn weiteren jungen Frauen in leuchtend gelben Trikots mit dem Rennrad über die Straßen Ruandas. Das Ziel: Die World Cycling Championships, die 2025 in ihrem Heimatland stattfinden sollen.

Eine Gruppe junger Frauen fährt nebeneinander mit dem Rennrad über die Straße, sie tragen alle die gleichen Trikots und Helme.
Die 15 Projektteilnehmerinnen sollen durch den Ansatz „Sport für den Wandel“ ganzheitlich gestärkt werden Solange Iradukunda

Mit im Team ist auch ihre jüngere Schwester Joyce (18). Gemeinsam nehmen die jungen Frauen als Teilnehmerinnen des Projekts „Bike for Future“ ihr Leben und ihre Zukunft selbst in die Hand. Mit 14 Jahren wurde Olivia zur Waise, kümmerte sich um ihre vier jüngeren Geschwister und bekam schließlich mit 15 Jahren selbst ein Kind. „Ich musste die Schule abbrechen, um mich um das Baby zu kümmern“, erzählt sie. „Ich wusste nicht, was für eine Zukunft wir haben würden.“ Auch Joyce musste die Schule vorzeitig verlassen, da es der Familie finanziell nicht mehr möglich war, Schulmaterial und -gebühren zu bezahlen. „Der Radsport hat uns Schwestern noch mehr zusammengeschweißt und uns ein Gefühl der Zugehörigkeit gegeben“, sagt sie. 

Eine junge Frau im Arbeitsanzug sitzt auf einem Hocker und repariert ein Vorderrad.
Joyce (18) fühlt sich durch ihre Ausbildung für die Zukunft besser gerüstet Solange Iradukunda
Eine Gruppe junger Frauen in Arbeitsanzügen steht vor einer Werkstatt, sie alle lächeln und haben die Hände in die Luft gehoben
In der Fahrradwerkstatt schrauben Olivia, ihre Schwester Joyce und weitere Teilnehmerinnen des Projekts an Rädern Solange Iradukunda

Handlungsfähig in die Zukunft radeln

Neben den anspruchsvollen Trainingseinheiten erhalten die Teilnehmerinnen von „Bike for Future“ über das Projekt Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten – etwa zur Schneiderin oder Schweißerin. Joyce und Olivia haben sich dazu entschieden, Fahrradmechanikerinnen zu werden. In der Werkstatt von „Bike for Future“ lernen sie, wie man Fahrräder herstellt und repariert. Diese verkaufen sie dann an die örtliche Gemeinschaft. „Die Möglichkeit, spezielle Fähigkeiten zu erwerben, ist von unschätzbarem Wert“, sagt Olivia. Ihre Schwester pflichtet ihr bei: „Mit unseren beruflichen Fähigkeiten sind wir besser gerüstet, um das Leben mit all seinen Widrigkeiten zu meistern und uns den Herausforderungen zu stellen, die das Dasein als Waisenkinder mit sich bringt.“

„Mit unseren beruflichen Fähigkeiten sind wir besser gerüstet, um das Leben mit all seinen Widrigkeiten zu meistern.“

Joyce (18)
Zwei junge Frauen in Fahrradtrikot und mit Helm stehen mit ihren Fahrrädern nebeneinander und schauen die die Kamera.
Joyce (l.) und Olivia (r.) sind seit ihrer Projektteilnahme noch näher zusammengerückt Solange Iradukunda

Ein starkes Team mit starker Botschaft

Die jungen Frauen und ihre Geschwister, darunter der 13-jährige Bruder Hirwa, wohnen inzwischen bei ihrer älteren Großmutter. Hirwa hilft bei der Kinderbetreuung, während seine Schwestern sich auf das Fahrradtraining konzentrieren. Die Teilnahme an den World Cycling Championships 2025 wollen die Teilnehmerinnen des „Bike for Future“-Projekts auch als Plattform nutzen, um sich für die Rechte von Mädchen und Frauen einzusetzen – insbesondere das Recht, über die eigene Zukunft selbst zu bestimmen.

„Wir wollen Geschlechternormen im Sport infrage stellen und Geschlechterstereotypen aufbrechen, indem wir das Bewusstsein in der Gemeinschaft für das Potenzial von Mädchen und jungen Frauen schärfen“, erklärt Olivia. „Wir wollen allen zeigen, dass Mädchen und Jungen gleichberechtigt sind.“ Die 20-Jährige hat im Rahmen des Projekts von ihren Rechten erfahren, das Plan International in den Distrikten Gatsibo und Bugesera in Zusammenarbeit mit dem lokalen Partner „Learn Work Develop“ (Lernen Arbeiten Entwickeln) umsetzt. 

Radrennen bei den Olympischen Spielen

Ein großes Ziel für die jungen Radfahrerinnen könnte auch eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen sein. 2024 schauen sie jedoch noch zu – und erleben eine Premiere beim Radsport: Zum ersten Mal in der Geschichte der Spiele werden Frauen und Männer für das Zeitfahren am 27. Juli 2024 die gleiche Strecke nutzen. 

Die Straßenrennen am 3. und 4. August 2024 haben für Männer und Frauen zwar den gleichen Start- und Zielpunkt, jedoch unterscheiden sie sich in der Länge: Für die Herren ist es mit 273 Kilometern der längste Kurs, den es jemals bei einem Straßenrennen gab. Die Frauen müssen 158 Kilometer zurücklegen.

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Eine große Gruppe junger Frauen auf Rennrädern fährt über eine Straße.
Die jungen Sportlerinnen haben ihr Ziel vor Augen: Die World Cycling Championships 2025 Solange Iradukunda

Durch das Radfahren stärken die jungen Frauen zudem ihren Teamgeist, ihr Selbstwertgefühl, ihr Selbstvertrauen und ihre Führungsqualitäten. All diese wichtigen Fähigkeiten können sie zukünftig in allen Lebenslagen, sei es gesellschaftlich oder beruflich, einsetzen. Olivia hat, gestärkt durch all die Dinge, die sie bereits gelernt hat, fest vor Augen: „Ich will Profi-Radfahrerin werden. Dieses Projekt hat mir den Glauben gegeben, dass ich in der Lage bin, meine Ziele zu erreichen. Ich habe ein neues Gefühl von Zielstrebigkeit – und Hoffnung.“

Die Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Ruanda erstellt.

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