„Du bist die Beste”, „Heldin!!!”, „Ich bewundere dich“, „Du bist eine tolle Führungspersönlichkeit“. So lesen sich tausende Kommentare in dem Twitter-Feed von Greta Thunberg. Doch obwohl die 16-jährige Klimaschutzaktivistin regelmäßig über 1,6 Millionen Menschen durch ihren Schulstreik für den Klimaschutz mobilisiert, muss man nicht lange suchen, um Gegenreaktionen zu finden. Es gibt Vorwürfe, dass Greta „Propaganda“ verbreiten würde, und Aufrufe, sie solle zurück zur Schule gehen und aufhören, andere Kinder zum Streiken anzustiften.
Das ist nicht überraschend. Während das Internet und die sozialen Medien wichtige Wegbereiter waren, damit Gretas Botschaft Millionen Menschen erreichen konnte, machte ihr Aktivismus sie auch zu einem Angriffsziel von Trolls und Cybermobbing. Diese Probleme sind vielen Aktivistinnen und Aktivisten bekannt.
Das World Wide Web ist besonders für Mädchen und Frauen kein freundlicher Ort. Je stärker sie ihre Meinung äußern, desto schlimmer werden die Anfeindungen. Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für Politikerinnen, aufgrund ihres Geschlechts abwertende Kommentare in den sozialen Medien zu erhalten, dreimal höher ist als bei ihren männlichen Kollegen. Jüngere Frauen sind dabei überproportional häufig betroffen.
„Das World Wide Web ist besonders für Mädchen und Frauen kein freundlicher Ort. Je stärker sie ihre Meinung äußern, desto schlimmer werden die Anfeindungen.“
Immer häufiger wird dieser Hass über sogenannte Chat-Bots und Fake Accounts verbreitet. Bots sind heutzutage bei rund der Hälfte des Datenverkehrs im Internet involviert. Manche sind sehr nützlich, da sie zum Beispiel Links reparieren, Vandalismus entfernen oder Artikel in Wikipedia verlinken. Oft sind Bots eher für ihre negativen Auswirkungen bekannt: Einige sind absichtlich darauf programmiert, aktiv Ungleichheiten aufrecht zu erhalten, bewusst Hass zu schüren und alternative Sichtweisen zu verdrängen.
Social Bots sind im Wesentlichen gefälschte Accounts, die echte Menschen imitieren. Sie erstellen immer mehr Inhalt in den sozialen Medien. Es wird vermutet, dass rund 15 Prozent der aktiven Twitter-Accounts Bots sind. Da sie aber keine Menschen sind, müssen sie nicht essen oder schlafen und können so rund um die Uhr posten. Deswegen überfluten Inhalte, die von Bots erstellt wurden, die sozialen Medien, verzerren die öffentliche Diskussion und verstärken hasserfüllte Rede, Gewalt und Missbrauch.
Das geht so weit, dass Bots politische Wahlen und Meinungsbilder beeinflussen können. Zum Beispiel bei den Präsidentschaftswahlen in den USA 2016: Während Bots rund um Kandidat Donald Trump mehr positive Nachrichten produzierten, geriet Hillary Clinton durch negative Nachrichten von Bots verstärkt in die öffentliche Kritik.
Der Gründer des World Wide Web, Sir Tim Berners-Lee, macht sich zurecht Sorgen über die Zukunft des Internets. In seinem jährlichen Brief hob er dieses Jahr hervor, dass Belästigung eines der zentralen Probleme ist, die das Internet heutzutage betreffen. Das führe dazu, dass viele Menschen Angst hätten und unsicher seien, ob das Web wirklich eine Kraft für das Gute ist. Er ruft alle Menschen dazu auf, sicherzustellen, dass das Internet als Menschenrecht anerkannt wird und für das Allgemeinwohl aufgebaut wird.
Daran müssen auch Mädchen und Frauen beteiligt werden. Für drei Jahrzehnte war das World Wide Web ein Spielplatz, auf dem die Regeln – oder eher der Mangel an Regeln – von zu wenigen Menschen entschieden wurden. Dadurch ist es zu einem Ort geworden, an dem Hass und Gewalt toleriert wird, an dem Erfolg durch Quantität von Engagement definiert wird anstatt durch die Qualität, Sicherheit oder Echtheit dieses Engagements.
„Wir brauchen ein Internet, an dem alle Menschen gleichberechtigt teilhaben und es nutzen sowie davon profitieren können, egal wo sie herkommen, welcher Religion sie angehören oder welchen Geschlechts sie sind.“
Das muss sich ändern. Als Mädchen oder Frau online zu sein, sollte kein Synonym für Missbrauch sein. Wir brauchen ein Internet, an dem alle Menschen gleichberechtigt teilhaben und es nutzen sowie davon profitieren können, egal wo sie herkommen, welcher Religion sie angehören oder welchen Geschlechts sie sind. Ein Internet, in dem Mädchen, Frauen und andere ausgegrenzte Gruppen ihre Meinungsfreiheit ohne Belästigung ausüben können. Ein Internet, das den Gretas der Welt mehr Raum gibt, sich zu entfalten und das die Stimme von Menschen verstärkt, die sonst nicht gehört werden. Wir brauchen ein feministisches Web.
Um dies möglich zu machen, sind konkrete Maßnahmen notwendig. Die Technik-Branche muss vielfältiger werden, um das volle Potential des Internets auszuschöpfen – es braucht mehr Frauen, die Strukturen und Prozesse mitentwickeln und so mitentscheiden, wie das Web arbeitet. Dazu müssen mehr Möglichkeiten im Technologiesektor geschaffen werden.
Auch die Prozesse von Social Media-Plattformen müssen verbessert werden, damit Mädchen sicher Inhalt erstellen können, der ihre Meinung und Bedürfnisse repräsentiert und Missbrauch leichter zu melden ist. Aktuell erkennt beispielsweise Facebook noch keinen Missbrauch in Bezug auf Gender. So kann ein großer Teil der Gewalt, die Mädchen und junge Frauen dort erleben, nicht identifiziert werden. Soziale Medien wie Twitter und Instagram müssen die Rechte und die Sicherheit der Nutzer vor Profit und Wachstum stellen. Bots, die sich als echte Menschen ausgeben, sollten untersagt werden.
Auch Regierungen müssen ihren Teil dazu beitragen und dafür sorgen, dass die Gesetzesgrundlagen aktuell sind und bezüglich technischer Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben. Nur so können die Verantwortlichen für Missbrauch im Internet, auch Bots, gestoppt und zur Verantwortung gezogen werden.
Mit der neuen globalen Kampagne Girls Get Equal fordert Plan International, dass Mädchen und junge Frauen ihr Leben selbstbestimmt gestalten und die Welt um sie herum formen können – online und offline. Dabei ermutigt die Organisation Mädchen auf der ganzen Welt, in die Technik-Branche zu gehen und dabei zu helfen, das Internet zu einem sichereren Ort für alle zu machen, an dem jeder seine Rechte ausüben kann – es feministisch zu machen.