Die Stadt Cherson in der gleichnamigen Region im Südosten der Ukraine gilt als strategisch wichtiges Tor zu Halbinsel Krim. Monatelang befand sich der größte Teil der Region unter russischer Kontrolle, konnte Ende 2022 aber von der Ukraine zurückerobert werden. Vieles ist heute zerstört, es fehlt Strom, Wasser und Heizung. Einige der aus Cherson geflüchteten Jugendlichen leben in einer Pflegefamilie in Vinnytsia Oblast, andere sind dort wieder mit ihren Familien vereint.
„Drei Monate nach Beginn des Krieges verließen wir mit meinem älteren Bruder die Stadt. Seine Frau und er haben keine Kinder, also blieben meine ältere Schwester und ich bei ihnen, damit er die Kontrollpunkte passieren durfte, sonst hätten sie [Anmerkung der Redaktion: die russischen Regierungstruppen] ihn zurückgeschickt.
Als wir den ersten Kontrollpunkt erreichten, mussten wir den ganzen Tag in der Warteschlange verbringen. Es ging nicht weiter, also suchten wir uns in einem Dorf in der Nähe einen Platz zum Übernachten. Am nächsten Tag mussten wir wieder in die Warteschlange. Schließlich kamen wir durch die Kontrolle, aber das war erst der Anfang. Vor uns lagen noch viele andere Kontrollpunkte, und an jedem von ihnen holten sie meinen Bruder aus dem Auto und verhörten ihn.
Wir mussten eine Woche lang in unserem Auto zu schlafen, weil wir keinen Platz zum Übernachten finden konnten. Ich war die ganze Zeit sehr ängstlich und besorgt, weil wir tagelang und stundenlang in Warteschlangen stehen mussten, ohne zu wissen, ob sie uns durchlassen würden. Mein Bruder wurde mehrmals verhört, das war sehr stressig.
Als wir endlich ankamen, wurde uns ein Haus zur Verfügung gestellt, aber es war so schlimm dort, dass wir lieber weiter im Auto schliefen. Dann zogen wir hierher nach Vinnytsia und waren wieder mit unseren Eltern und Geschwistern zusammen.
Ich glaube, das alles hat mich stärker gemacht und mich dazu gebracht, mein Leben und meine Familie mehr zu schätzen, aber ich wünsche niemandem, dass er so etwas durchmachen muss. Meine Hoffnung für die Zukunft ist es, dass wir in unsere Heimat zurückzukehren können und ich meine Freunde wiedersehe.“
„Ich erinnere mich genau an den Morgen, als der Krieg begann. Ich wachte ganz normal auf und machte mich für die Schule fertig, als meine Schwestern in mein Zimmer kamen und mir sagten, dass der Krieg begonnen hatte. Zuerst glaubte ich ihnen nicht, aber dann hörte ich die Explosionen und sah Rauch aus einem nahen gelegenen Viertel aufsteigen. Wir verstecken uns. Nach einer Weile fuhren wir in ein Dorf, wo es ruhiger war.
Als ich die ersten Explosionen hörte und sah, bekam ich große Angst, weil ich dachte, dass meinen Eltern und meinem Haus etwas zustoßen könnte. Ich hatte Angst, dass ich alles verlieren würde.
„Ich bin so froh, dass wir jetzt alle zusammen und in Sicherheit sind.“
Unsere Reise war sehr lang und schwierig. Wir fuhren zuerst nach Cherson, um einen Evakuierungsbus zu finden, und von dort aus zogen wir weiter. Irgendwann saßen wir viele Stunden fest, und es war sehr heiß im Bus. Deshalb stiegen wir aus, und liefen ein, zwei Kilometer zu Fuß, um den letzten Kontrollpunkt zu erreichen.
Während der ganzen Fahrt fühlte ich mich unruhig und ängstlich. Ich bin so froh, dass wir jetzt alle zusammen und in Sicherheit sind.
Ich hoffe, dass ich bald nach Hause zurückkehren und meine Freunde und Schulkameraden wiedersehen kann. Ich habe gehört, dass viele Schulen in anderen Städten zerstört wurden, ich hoffe, meine Schule steht noch und ist in Ordnung.“
„Ich sah, dass überall Soldaten mit Gewehren standen. Sie kamen zu unserem Haus und fragten mich, wo mein älterer Bruder sei. Ich sagte ihnen, dass ich keine Ahnung habe. Sie versuchten, mich zu bedrohen und mir Angst zu machen. Dann fragten sie mich nach den Menschen in den Nachbarhäusern.“
Seit März 2022 hat Plan International auf die humanitäre Krise in der Ukraine und den umliegenden Ländern reagiert. Nachdem wir uns zunächst auf die Geflüchteten in Moldau, Polen und Rumänien konzentriert haben, sind wir seit August 2022 auch in der Ukraine tätig. Wir konzentrieren uns auf mehrere Schwerpunktbereiche, in denen wir einen Mehrwert schaffen und unser Fachwissen einbringen können – etwa Kinderschutz, psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung, Bildung sowie Bargeld- und Gutscheinhilfen. Insbesondere in abgelegenen Gebieten der Ukraine verteilen wir zudem Hilfsgüter wie Decken, Winterkleidung, Heizgeräte und Heizöl. Bis heute haben wir mehr als 250.000 Menschen mit lebenswichtiger Unterstützung erreicht.