„Die Angst vor Nachbeben hat vor allem bei den Kindern Ängste ausgelöst. Das Leben der betroffenen Menschen wird nie wieder so sein wie vorher, denn Katastrophen verändern sowohl die Landschaft als auch das Leben der Menschen. Haiti kämpft bereits seit längerem mit politischer Unsicherheit, der Corona-Pandemie sowie einer massiven Hungerkrise. Das Gesundheitssystem funktioniert nur unzureichend. Zu all dem kommt nun auch noch ein Erdbeben, dass das Leid der Menschen in den armen Gemeinden weiter verstärkt.
Während eines Telefonats mit Kolleg:innen, das nur wenige Stunden nach dem Erdbeben stattfand, warnten mich meine haitianischen Kollegen zudem noch vor einem möglicherweise tödlichen Sturm, der voraussichtlich auch noch das ärmste Land der westlichen Hemisphäre treffen wird. Und dies ist erst der Anfang einer weiteren Sturmsaison in Haiti.
Wir haben gehört, dass bereits lokale Freiwillige und kommunale Organisationen, Nothilfe vor Ort leisten. Sie sind oft als Erste dort, wo es am schlimmsten ist und ziehen teilweise mit bloßen Händen Überlebende aus den Trümmern.
Lebensrettende medizinische Hilfe und Hilfsgüter wie sauberes Wasser und Nahrungsmittel entscheiden in Krisengebieten über Leben und Tod. Doch nicht alle Bedürfnisse sind auf den ersten Blick sichtbar. Stellen Sie sich Menschen vor, die in weit abgelegenen Dörfern von der Außenwelt abgeschnitten sind, Kinder, die ihre Eltern verloren haben, Mädchen, die von ihren Familien und Freunden getrennt sind, auf Hilfe angewiesene Kinder mit Behinderungen oder traumatisierte Kinder – sie alle brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit. Viele sind betroffen, aber Kinder und Mädchen sind stärker betroffen und größeren Gefahren ausgesetzt. Kinder, insbesondere Mädchen, haben für Plan International Priorität, da sie nach einem Erdbeben zu einem leichten Ziel für Missbrauch, Menschenhandel und Gewalt werden.
„Humanitäre Hilfe ist ein Akt des Mitgefühls und der Solidarität. Die Nothilfe muss sich an erprobte humanitäre Standards halten und den Überlebenden auf Augenhöhe und mit Würde begegnen.“
Der Schutz von Kindern und der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt in all ihren Formen sowie die Verbesserung der Sicherheit für heranwachsende Mädchen sind von entscheidender Bedeutung für unsere Arbeit. In den letzten 15 Jahren habe ich Haiti bei zahlreichen Gelegenheiten besucht, um Naturkatastrophen wie Erdbeben, Wirbelstürme und Schlammlawinen, Choleraausbrüche und politische Unruhen zu beobachten.
Während dieser Reisen erinnerten mich meine haitianischen Kolleg:innen, daran, wie wichtig es ist, Gemeinschaften dabei zu unterstützen, ihre Widerstandsfähigkeit im Umgang mit derartigen Katastrophen zu stärken. Ebenso wichtig ist die Unterstützung lokaler Teams, die oft als erste reagieren müssen – dies ist der Schlüssel, um den Kreislauf von Vulnerabilität und Katastrophen zu durchbrechen. Diese Arbeit muss unbedingt auch nach dem Abzug der Kamerateams fortgesetzt werden.
Mitgefühl und Zusammenarbeit sind die Faktoren, um Menschlichkeit in Krisensituationen zu zeigen. In einer globalisierten Welt kann jeder etwas bewirken, indem er oder sie sich in den sozialen Medien solidarisch zeigt, spendet und sich dafür einsetzt, dass besonders Mädchen und Kindern geholfen wird.
Katastrophen hinterlassen bleibende Fußabdrücke in den betroffenen Regionen. In einer Krise wie jetzt gibt es Tausende von Dingen zu tu. Die Kinder brauchen unsere Unterstützung aber am dringendsten.“