In Kampala, der Hauptstadt Ugandas, werden Mädchen und junge Frauen oft belästigt. Dass es sich dabei um ein globales Phänomen handelt zeigt eine Studie von Plan International. Unangebrachte Berührungen und Bemerkungen sowie Missbrauch werden als normal empfunden. Um dieses Problem zu addressieren werden sogenannte "Safer Cities"- Projekte (auf deutsch „Sichere Städte für Mädchen“) in Metropolen auf drei Kontinenten durchgeführt, unter anderem in Kampala.
Im Rahmen der Projektaktivitäten nehmen Mädchen und Jungen unter anderem an Workshops teil, um diskriminierende Geschlechternormen zu überwinden. In sogenannten „Safer Cities“-Gruppen können sie mit anderen Teilnehmer:innen über Probleme in der Gemeinde diskutieren. Sie unternehmen auch „Safety Walks“ (auf deutsch etwa: „Sicherheits-Rundgänge“), bei denen sie Gefahrenquellen in ihren Vierteln dokumentieren – zum Beispiel, welcher Park für Mädchen gefährlich ist, oder öffentliche Waschanlagen mit defekten Lampen. Außerdem bewerten Teilnehmer:innen die Qualität der öffentlichen Räume und der Dienstleistungen der Stadt, die für Mädchen relevant sind. Abschließend präsentieren die Projektteilnehmer:innen den Behörden ihre Ergebnisse und fordern Verbesserung. Das hat in Kampala positive Veränderungen bewirkt: Straßen wurden benannt, Ampeln und Straßenbeleuchtungen installiert und verbessert und Bürgersteige gebaut. Darüber hinaus nahm das Personal der öffentlichen Verkehrsmittel an Trainingseinheiten und „Safer Cities“-Gruppen teil, damit sie die Sicherheit von Mädchen diskutieren und sich dafür einsetzen können.
Die Projektaktivitäten bieten Mädchen und jungen Frauen eine Plattform, um über ihre Sorgen und Bedürfnisse zu sprechen, aber sie binden auch bewusst Jungen und Männer ein. Der 24-jährige Eric und der 18-jährige Umar, erzählen, wie ihre Teilnahme am „Sichere Städte“-Projekt ihre Einstellung zu Mädchen und Frauen verändert hat:
„Ich wohne mit meiner Frau und unserem neunjährigen Sohn in einem Slum in Kampala. Dort gibt es viel Kriminalität und Gangs, was es für jeden gefährlich macht. Als meine Frau schwanger wurde, war sie 13 Jahre und ich 15 Jahre alt. Ich musste die Schule früh verlassen, weil ich arbeiten und mich um meine Familie kümmern musste. Deswegen lehnte ich auch ein Stipendium für eine Universität ab und fing an, ‚Boda Bodas‘ (Anm. der Red: Motorrad-Taxis) zu fahren.
Das Projekt ‚Sichere Städte‘ lernte ich kennen, als ein Mitarbeiter von Plan International zu einer Boda-Boda-Haltestelle kam und uns einlud, an einem Projekt-Workshop teilzunehmen. Zuerst interessierte ich mich nicht dafür, aber dann merkte ich, dass das, was er sagte, sinnvoll war – nicht nur für Mädchen, sondern auch für Jungen und Männer.
Bevor ich an dem Projekt teilnahm, belästigte ich viele Frauen. Ich rief ihnen Anzüglichkeiten hinterher, fasste sie an und demütigte sie. Das war normal für uns Fahrer. Ich betrachtete Frauen als wertlos und als Sexobjekte. Nun weiß ich, dass das falsch ist. Wir Boda-Boda-Fahrer hatten unsere ‚Regeln‘, aber diese ‚Regeln‘ konzentrierten sich nicht auf die Sicherheit von Mädchen und Frauen in der Stadt. Sie waren nur für uns nützlich.
Durch das Projekt ‚Sichere Städte‘ lernte ich, empathisch zu werden. Wir wurden ermutigt, die Situation aus der Perspektive unserer Schwestern, Töchter und Mütter zu sehen und uns in ihre Lage zu versetzen, wenn sie belästigt werden. Schritt für Schritt veränderte sich so unsere Einstellung. Nun wollen wir uns für Gleichberechtigung einsetzen. Deswegen haben wir unsere Regeln und Bestimmungen überarbeitet und unsere Routen geändert. Jetzt nehmen wir Wege, die für Frauen sicherer sind
Durch das Projekt ‚Sichere Städte‘ lernte ich, empathisch zu werden. Wir wurden ermutigt, die Situation aus der Perspektive unserer Schwestern, Töchter und Mütter zu sehen und uns in ihre Lage zu versetzen, wenn sie belästigt werden. Schritt für Schritt veränderte sich so unsere Einstellung. Nun wollen wir uns für Gleichberechtigung einsetzen. Deswegen haben wir unsere Regeln und Bestimmungen überarbeitet und unsere Routen geändert. Jetzt nehmen wir Wege, die für Frauen sicherer sind.
Dank des Projektes gehe ich auch mit meiner Familie anders um. Ich bin ein besserer Vater geworden. Ich setze mich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein. Die Spielzeuge, die wir unserem Kind geben, und die Art, in der ich mit meiner Frau rede, sind jetzt ganz anders. Ich respektiere ihre Meinung und zeige meiner Frau, wie sehr ich sie wertschätze.
„Wenn mein Sohn so alt ist wie ich, soll Kampala eine sichere Stadt sein, auch für Mädchen.“
Den anderen Boda-Boda-Fahrern ist es nun unangenehm, Mädchen vor mir zu belästigen. Ich bin zu einem Vorbild geworden. Jungen und Männer spielen eine große Rolle, wenn wir Kampala für Mädchen und Frauen sicher machen wollen. Wir können das nur schaffen, wenn wir zusammen arbeiten. Wenn mein Sohn so alt ist wie ich, soll Kampala eine sichere Stadt sein, auch für Mädchen. Ich möchte, dass er sich aktiv für die Sicherheit von Mädchen und Frauen einsetzt – und nicht einfach nur zuguckt. Jeder hat diese Verantwortung.“
„Ich musste die Schule mit 16 Jahren abbrechen, weil meine Mutter alleinerziehend ist und es sich nicht leisten konnte, die Schule für mich und all meine Geschwister zu zahlen. Die meiste Zeit des Tages verbringe ich damit, meiner Mutter zu helfen. Sie verkauft Kartoffeln auf der Straße. Manchmal übernehme ich Gelegenheitsarbeiten, aber mir wurde kürzlich gekündigt, weil ich noch nicht 18 bin und die Firma meinte, ich wäre zu jung. Es ist schwierig für mich, einen festen Job zu finden.
Meine kleine Schwester inspirierte mich, am Projekt ‚Sichere Städte‘ teilzunehmen. Ich möchte, dass sie und alle Mädchen als gleichberechtigt gesehen werden. Ich habe zwar noch nie in meinen Leben jemanden belästigt, hatte jedoch ein falsches Bild von Mädchen und Frauen. Ich dachte, dass Mädchen zu nichts gut wären.
Jetzt weiß ich, dass man Mädchen und Frauen respektieren und sie gut behandeln sollte. Man muss anderen Jungen beibringen, dies ebenso zu sehen. Männer, die Mädchen belästigen, sind Feiglinge und sollten sich darüber Gedanken machen, wie sie es fänden, wenn ihre Schwester, Mutter, Tochter oder Freundin das Opfer von Belästigung würde. Andere Jungen sollten erkennen, dass wir alle Menschen sind.“
Das Projekt wurde Ende 2018 erfolgreich beendet.