Weltweit sind mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen an den Genitalien beschnitten. Eine massive Menschenrechtsverletzung, auf die der Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung, „Female Genital Mutilation/Cutting“ (FGM/C), am 6. Februar aufmerksam macht. Allein in Deutschland leben rund 100.000 Betroffene, mehr als 17.000 Mädchen gelten als gefährdet. Vor allem die Jüngeren sind bei uns in Schule und Ausbildung mit ihrem Anderssein konfrontiert und stehen vor immensen Herausforderungen. Um die Aufklärung auch hierzulande voranzutreiben und für den Umgang mit den Betroffenen zu sensibilisieren, veranstaltete Plan International einen Fachaustausch in Hamburg, der sich gezielt an Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Sozialbereich richtete.
„Nur gemeinsam mit den Betroffenen können wir etwas bewegen.“
Bei der Podiumsrunde, die am 5. Februar 2024 mit einem Livestream-Format stattgefunden hatte, teilten fünf Expertinnen ihre persönlichen Erfahrungen mit FGM/C aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln, sodass ein intensiver und lebendiger Austausch stattfand. Zu Gast in der Runde waren Ntailan Lolkoi, Autorin und Aktivistin gegen weibliche Genitalverstümmelung, Dr. med. Johanna Höink, Leiterin der Urogynäkologie des Universitätskrankenhauses Eppendorf in Hamburg, Sabine Kroh, Hebamme und Gründerin von „call-a-midwife“ in Berlin sowie Nadine Ngantcha von der Beratungsstelle „baobab zusammensein e.V.“. Für Plan International sprach Edell Otieno-Okoth, Referentin für das Thema FGM, als Moderatorin führte Claudia Meyerhöfer durch den Nachmittag, sie leitet die Projektarbeit von Plan in Deutschland.
Im Laufe des Panels wurde sehr deutlich, wie komplex das Thema ist – und mit welchen schweren physischen und psychischen Folgen die betroffenen Mädchen und Frauen zu kämpfen haben. Weibliche Genitalverstümmelung darf kein Tabuthema bleiben, da waren sich alle Teilnehmerinnen einig. Nicht nur in der Aufklärung gegen FGM/C aktiv, sondern auch selbst betroffen, ist Panelteilnehmerin Ntailan Lolkoi. Sehr bewegend schilderte sie ihre Erfahrungen: „FGM/C ist eine Attacke gegen die Weiblichkeit. Mit der Beschneidung wurde mir ein Teil meines Lebens geraubt. Das Eingeständnis, dass dieser Eingriff Unrecht ist, hat mir bei meinem Heilungsprozess sehr geholfen. FGM/C ist ein Teil meiner Geschichte, soll aber nicht meine Zukunft sein.“
Dr. med Johanna Höink möchte betroffene Mädchen und Frauen darin bestärken, sich mit dem Tabuthema FGM/C auseinanderzusetzen: „Bei Untersuchungen ermutige ich meine Patientinnen, ihrem Körper mehr Aufmerksamkeit zu schenken und hinzuschauen. In vielen Fällen wäre eine einfühlsame Begleitung durch eine Gruppen- oder Traumatherapie nötig. Es braucht eine starke Bewegung gegen weibliche Genitalverstümmelung, damit solche Angebote selbstverständlich sind.“ Sabine Kroh ergänzte: „FGM/C sollte bei jeder betroffenen Schwangeren im Mutterpass vermerkt sein, auch, um angemessen mit ihnen sprechen zu können und Stigmatisierung zu vermeiden. Wir haben noch sehr viele Hausaufgaben zu machen, und die erreichen wir nur gemeinsam mit den Betroffenen.“
„Mütter wie Töchter brauchen unsere Unterstützung.“
Dass der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung bei den Betroffenen auch Konflikte hervorrufen kann, kam in der Runde ebenfalls zur Sprache: „Unser Ziel ist es, dass die Töchter unversehrt bleiben“, machte Nadine Ngantcha deutlich: „Die eigene Tochter zu schützen, ist jedoch für eine Mutter, die FGM/C am eigenen Leib erlebt hat, oft ein Dilemma. Darum brauchen die betroffenen Familien unsere Unterstützung.“
Und das Fazit von Edell Otieno Okoth: „Behutsame Aufklärung ist wichtig. Diese funktioniert nur gemeinsam mit den Menschen, die im direkten Kontakt mit den betroffenen Mädchen und Frauen stehen. Darum muss das Thema weibliche Genitalverstümmelung schon in der Ausbildung aller Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialbereich auf den Lehrplan.“