Eine belebte Straße, auf der des Nachts nur Männer unterwegs sind. Ein düsterer Platz, auf dem Alkohol und andere Drogen konsumiert werden. Verlassene Haltestellen. Unbeleuchtete Parks. All dies sind Orte, an denen sich viele Leute, vor allem junge Frauen im Dunkeln unsicher fühlen und Angst vor Gewalt und Übergriffen haben. Diese Orte waren die Stationen des „Safety Walks“, zu dem Plan International anlässlich des internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen eingeladen hat. Der Safety Walk war ein nächtlicher Stadtrundgang, bei dem die Teilnehmer:innen sich an verschiedenen Stationen über das Gefühl von Unsicherheit im öffentlichen Raum austauschen konnten.
Der Spaziergang begann am Steindamm und führte über den Hansaplatz zum Hauptbahnhof. Dies sind Gegenden, die in einer Umfrage von Plan International Deutschland von den Befragten als besonders kritisch markiert wurden. Der Hauptgrund: sexualisierte Kommentare und Übergriffe, ausgehend von Männern und Männergruppen, die meist von Alkohol oder anderen Drogen berauscht sind.
Im Gespräch mit den Teilnehmer:innen des Saftey Walks wurden einige Aspekte genannt, die das Sicherheitsempfinden an diesen Orten beeinflussen. Dabei wurde auch kritisch hinterfragt, inwiefern rassistische Stereotype über Männer mit Migrationshintergrund gerade in dieser Gegend für ein schlechtes Gefühl sorgen – denn Alkohol, Drogenkonsum und Übergriffe passieren auch an Orten wie St. Pauli und der Sternschanze, ohne dass diese als „Brennpunkte“ gelten. Auch die Berichterstattung der Medien könne ein Faktor sein, warum viele Menschen beim Gedanken an den Steindamm und den Hansaplatz ein schlechtes Gefühl haben, so eine Teilnehmerin.
Im Anschluss ging es weiter mit der U-Bahn vom Hauptbahnhof aus, denn auch in öffentlichen Verkehrsmitteln fühlen sich nicht alle Menschen gleichermaßen sicher. Während der Fahrt wurden die Teilnehmer:innen dazu animiert, in eine andere Rolle zu schlüpfen, die ihnen per Los zugeteilt wurde, und sich zu fragen, wie sich das Sicherheitsgefühl mit den unterschiedlichen Identitätsmerkmalen wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, Rassifizierung oder körperliche Gesundheit verändert.
Der letzte Streckenabschnitt bot noch einmal ein Kontrastprogramm zu der lebhaften Gegend am Steindamm und dem Hauptbahnhof, denn der Weg führte durch einen dunklen, unbeleuchteten Park in Eimsbüttel. Dabei entstand eine Diskussion, welche Wege die Teilnehmer:innen bei Dunkelheit noch benutzen würden oder ob sie nicht lieber längere Umwege in Kauf nehmen, um Angsträume zu vermeiden.
Eine Teilnehmerin sprach über ihren Frust, dass diese Angst vor Übergriffen ihre Alltagsentscheidungen prägt, vor allem wenn es um das Erleben von Naturräumen geht: „Grünflächen und Dunkelheit sind zwei wichtige und erholsame Gegenpole zur Reizüberflutung der Stadt. Es macht mich unfassbar wütend, dass weiblich lesbaren Personen dieser Raum genommen wird und wir ständig zwischen Freiheit und Sicherheit abwägen müssen.“
„Es macht mich unfassbar wütend, dass weiblich lesbaren Personen dieser Raum genommen wird und wir ständig zwischen Freiheit und Sicherheit abwägen müssen.“
In der abschließenden Diskussion kamen noch weitere Faktoren auf, die darüber entscheiden, wer sich in der Stadt sicher fühlen kann. Der Städtebau sei sehr stark von einer männlichen Perspektive geprägt. Die Bedürfnisse von Mädchen und Frauen, aber auch anderen marginalisierten Gruppen, würden häufig nicht berücksichtigt. Eine weitere Teilnehmerin fügte noch hinzu: „Sicherheit muss man sich auch leisten können“ – es hänge auch stark vom Einkommen ab, in welcher Gegend man wohnt, und wie dort die Infrastruktur und Maßnahmen zur Sicherheit und zum Wohlfühlen gestaltet sind.
Abschließend haben die Spaziergänger:innen überlegt, welche Maßnahmen man ergreifen kann, um das eigene Sicherheitsempfinden zu steigern, aber auch um die Stadt zu einem sichereren Ort für alle zu machen. Zivilcouragiertes Eingreifen, wenn man Übergriffe beobachtet, mit Freund:innen oder Hotlines telefonieren, um sich nicht so allein zu fühlen, auf sich aufmerksam machen, falls etwas passiert waren einige der genannten Punkte.
Es wurde aber auch betont, dass der eigentliche Handlungsbedarf nicht bei den Opfern von Übergriffen liegt: Vielmehr müssen gesellschaftlich diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die anzügliche Kommentare machen, Mädchen und Frauen ohne Zustimmung anfassen oder angreifen. Nur wenn solches Verhalten als unangemessen erkannt und unterbunden wird, können sich Mädchen und Frauen ohne Angst vor Gewalt und Übergriffen im öffentlichen Raum bewegen.